Open Access
Dum lucet - bibamus sodales. Ali kako arheologi razumemo Stare: nekaj primerkov iz Slovenije
Author(s) -
Iva Mikl Curk
Publication year - 2004
Publication title -
deleted journal
Language(s) - German
Resource type - Journals
ISSN - 2350-4234
DOI - 10.4312/keria.6.2.7-32
Subject(s) - physics , humanities , art
In welchem Umfang können die Leute des Altertums von Achäologen verstanden werden?Wir wählen zum Titel des Aufsatzes einen Teil der Inschrift vom ACO-Becher aus Virunum (jetzt im Landesmuseum Klagenfurt), da wir ein Thema über die materielle Kultur aus der Römerzeit bearbeiten. Die Römerzeit ist nämlich die älteste Periode in der Geschichte des östlichen Alpen- und nordadriatischen Raums, so auch Sloweniens, und zeugt auch durch direkte schriftliche Quellen von sich selbst. So kann das Verfolgen der Tatsachen, wie gewisse Erscheinungsformen an Artefakten durch die archäologische Forschung verstanden sind, besonders aufregend werden. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf drei Beispiele, die in vergangenen Jahrzehnten durch Publikation etwas mehr ins Blickfeld geraten sind. Auch Trinkgefäße befinden sich darunter.An erster Stelle ist die Rede vom glirarium - dem töpfernen »Käfig« für Siebenschläfer - von Poetovio (heute Ptuj, Slowenien). Das Gefäß wurde als Graburne im (späten) 2. Jh. verwendet. Zu dieser Art von Verwendung wurde in den bisherigen Bearbeitungen nur einmal Stellung genommen (Mikl Curk 1986) und die Vermutung geäußert, man habe zur Zeit der Grablegung möglicherweise den wahren Zweck des Gefäßes nicht mehr gekannt. Doch heute wird eine neue Deutung vorgeschlagen: Beim Vorkommen eines solchen Gefäßes im Grab soll es sich um ein Symbol handeln. Dieses Symbol soll, mit gewissen weiteren aus den römischen Brandgräbern in Slowenien essbaren Grabbeigaben (Muscheln, Schnecken), den Gedanken an das - unter der Erscheinung des Todes - schlummernde Leben darstellen. Die verschlossenen Muschel- und Schneckenschalen haben ja die Form eines leblosen Steines, so wie auch der Siebenschläfer während des Winterschlafes tot zu sein scheint. Solche Beigaben brachten uns auf den Gedanken, eine weitere Zahl von Geschirr-Beigaben auch in solch einem Sinn zu deuten (Mikl Curk 1985; 1985a; 1999; 2001). Diese eventuell sogar in bis zu 5-10 % der Brandgräber vorkommenden Beigaben könnten also auch den Wunsch ausdrücken, der Verstorbene möge auf der anderen Seite der Grabpforte das ewige Leben erwarten. Auf diese Weise würde der Begräbniskult im Land zur Römerzeit noch klarer von einer komplexen Vorstellungswelt zeugen. Allerdings soll das Ganze zugleich auch ein Beispiel für das Gewagte an Deutungen darstellen.Als zweites Beispiel soll die fragmentierte Vollstatue von Noršinci in Prekmurje dienen. Eingehend wurde sie noch nicht publiziert. Doch es handelt sich gewiss um ein typisches Erzeugnis des norisch-pannonischen Steinmetzgewerbes aus der antoninisch-severischen Zeit vom ausgehenden 2. und beginnenden 3. Jh. Die qualitätvoll gearbeitete, obzwar schlecht erhaltene Statue stellt auch zweifelsohne eine tragische Heroin dar. In den Aufsätzen, wo sie erwähnt wurde, vermutete die Autorin zunächst Iphigenia, nach eingehender Analyse der beiden kleinen, erhaltenen Figuren, welche bei diesem Statuentypus als erklärende Attribute zu dienen pflegen, wurde aber Dido vorgeschlagen (Mikl Curk 1998). H. G. Frenz (1997) nahm die Figur später in die Reihe der Medeiadarstellungen auf und betrachtet die kleinen Figuren als Kinderdarstellungen. Solch einer Lösung kann die Autorin aber nicht zustimmen. Eine der kleinen Figuren stellt nämlich einen (älteren) bärtigen, in langem Mantel gekleideten, an einem Lehnstuhl sitzenden Mann dar, und der halbnackte, hinter ihm stehende (jüngere?) Mann schmiegt sich fest an ihn, legt ihm auch seine Rechte in einer wohl schützenden Geste über die Schulter an die Brust. Die Figuren sind also keinesfalls die üblichen Kinderdarstellungen der territorial nahe gefundenen Medeiastatuen. Medeiadarstellungen sind zahlenmäßig tatsächlich vorherrschend, aber auch die Darstellungen des Aeneasmythos waren in Pannonien nicht unbekannt, obwohl sie bis jetzt nur als Grabreliefs (Erdélyi 1954, Thomas 1955, Barkóczi 1984, 174 Abb. 2, 177 Abb. 1, 2 - für die Liste haben wir Krisztina Szirmai zu danken) überliefert sind. Die Autorin sieht jetzt folgende Möglichkeiten: Sollte es sich um Medeia handeln, dann stellen die zwei kleinen Figuren eine bislang unbekannte Szene aus dem Mythos, vielleicht mit dem Pädagogen (allerdings nicht in der Art der Freskenszene aus der Casa del Antenoro von Pompei), dar oder eine vollkommen andere Heroin, Dido ist noch immer nicht ausgeschlossen.Zuletzt wird das Trinkgeschirr, versehen mit realistischen Dekordarstellungen und mit Inschriften, welche die kurzen Eigenschafts-, Inhalts- oder Herstellungssignaturen überschreiten, ferner einige Sitten bei Tisch sowie offizielle und private damit verbundene Kulte kurz vorgestellt.Unter den Bronzegefäßen befindet sich nach Ansicht der Autorin zunächst eine trulla, aus dem Fluss Ljubljanica nahe Nauportus - Vrhnika stammend (heute im Landesmuseum in Graz), welche der Signatur sowie dem Dekor nach sicher vorerst dem Kultgebrauch gewidmet war. Die Verzierung des skyphos von Polhov Gradec, in der Nähe von Emona - Ljubljana, würde aber jedenfalls (da Diana und Skylla als Rand und Henkeldekor dargestellt werden) eher eine ursprüngliche Bestimmung für ein wohl riechendes, auch als Medizin verwendbares Öl bezeugen. Bei weiteren Gefäßen stimmt man den vorgehenden Beobachtungen bei (z.B. dass die unverzierten Eimer für den täglichen Gebrauch bestimmt waren, die nicht geklärte eingeritzte Inschrift steuert zum Thema jedenfalls nichts bei - Horvat 1990, Breščak 1982). Es wird aber auch erwähnt, dass die Dekormotive (unserem Verstehen nach) oft nicht sinnvoll angewendet worden sind, besonders an der Massenware der späteren Jahrhunderte nicht.Die Herstellungstechnik der Glasgefäße verlangt andere Verzierungsarten. Die der Natur entnommenen Motive sind sehr selten, obwohl im Land hervorragendes römisches Glas gefunden worden ist (als Grabbeigaben in den Gräbern von Emona in besonders großer Zahl). Kommen dennoch Naturmotive vor, dann auf kostbarem Luxusgeschirr, und sie sind vorzüglich gearbeitet. Aus Slowenien, aus Dolenjsko, der Region südöstlich von Emona - Ljubljana, wo die noch lebendige Tradition der reichen Eisenzeit angenommen werden dürfte, sowie aus Poetovio- Ptuj stammen die Becher. Von diesen dürften der Götter-Becher von Črnelo (jetzt im Nationalmuseum in Ljubljana) und der gravierte Becher mit dem griechischen Trinkspruch von Novo mesto- Bršljin (jetzt im Kunsthistorischen Museum in Wien) in keinem Handbuch über römisches Glas fehlen. Diese beiden sind als dem Kultus fest verbunden zu betrachten, obwohl jedenfalls vorerst dem individuellen Kultus der libatio, zusammen mit der Magie am Tische, welche den Genuss von Getränken begleitet, besonders den Genuss von Wein mit einem Wunsch nach Wohlbefinden, mit einem Trinkspruch also. Bis dahin ist es nur ein kleiner Schritt zum Totenkult. Die Efeu-Ranke des Kantharos von Poetovio - Ptuj kann so mit den beiden erwähnten Dimensionen dieser Vorstellung gut in Verbindung stehen. Dagegen wird hier die Meinung vertreten, die Gravur der Flasche von Ptuj deute mehr darauf hin, dass sie ursprünglich als eine Art von Widmung an die Götter von Alexandrien gedacht gewesen sei und zugleich zu einem Souvenir aus dem Land am Nil geworden sei, da es jedenfalls ursprünglich eine spezielle landeseigene Flüssigkeit, ein möglicherweise wohlriechendes Öl oder eine Pomade, enthalten hat. Wein z.B. wäre dazu nicht eigenartig genug gewesen.Beim Darstellen der Keramikware wird vorerst der schon alten Feststellung, dass an Sigillata immer wieder Motive vorkommen, die dem Weingenuss angepasst sind, beigestimmt. Zu bestimmten Phasen einiger Werkstätten gehören ferner über das Bildfeld verteilte Glückwunsch-Inschriften, aber auch die jedenfalls nicht mehr verstandenen Motive, die von den ursprünglich als eine Art Souvenir gedachten Zirkusbechern stammen. All das dürfte den Gebrauch hier zu Lande weniger beeinträchtigen. Die Inschrift und das Dekor des ACO-Schälchens, welches uns nur durch eine Publikation bekannt ist (Mratschek 1987), könnte aber den Trinker - ob er schon ein Neusiedler aus Norditalien kommend oder ein Einheimischer, welcher das Schälchen zur Gästegabe bekommen hat, war - direkter ansprechen. Mit Bleiglasur glasierte Ware trägt zum Teil im Reliefdekor noch naturgetreu abgebildete Efeu- und Weinreben-Ranken, die aber bald größtenteils stilisiert werden. Manches Gefäß von dieser Sorte wurde schon in den provinziellen Werkstätten hergestellt, in der ersten Phase allerdings als Modellarbeit der italischen (oder in Italien ausgebildeten) Meister. Das beweisen sehr klar die Unterschiede an der Ausarbeitung, wenn man die Gegenstände aus Poetovio z.B. mit denen aus Carnuntum vergleicht.Aus Norditalien stammt jedenfalls auch eine Zahl der Gesichtbecher, besonders derjenigen, die als Grabbeigabe in Emona ausgegraben worden sind (Brathwaite 2001; Schindler Kaudelka, Butti Ronchetti, Schneider 2000). Da aber auch in Emona ein spezifisch gearbeitetes Gefäß mit der Darstellung vom männlichen Gesicht als Graburne gedient hat, und die Scherben aus Siedlungsspuren und aus der Töpferwerkstätte in Poetovio wieder andere Eigenschaften aufweisen, würde die Autorin, was die Bestimmung solcher Gefäße betrifft, die Meinung vertreten, dass sie sowohl für den Gebrauch im Kultus als auch zum Erheitern der Tischrunde gedacht gewesen seien, wenn auch für verschiedene Umgebungen und nicht gleich in der Ausführung.Die Reihe des oben dargestellten Trinkgeschirrs stammte sozusagen ausschließlich aus dem mittelmeerländischen Kulturkreis oder aus direktem Import. Das einheimische Element schien seine Vorstellungen nicht durch naturgetreue Abbildungen an den Artefakten des täglichen Lebens kund gegeben zu haben. In den lokalen Werkstätten sind sogar direkte Nachbildungen, auch technisch so einfach, wie das bei Keramik möglich ist, kaum vorhanden. Das wird auch durch einen Topf von Poetovio (jetzt im Landesmuseum in Graz), der Form nach typisch für die dortige Frühzeit, bezeugt. Er war nämlich auf eine zur Zeit vollkommen neue, mit italischen Siedlern angekommene Art, mit einer in Bleiglasur gezeichneten Pflanzenranke verziert worden (dazu Mikl Curk 1991, Istenič 1999; 2000) und hat möglicherweise dadurch eine neue Sitte, ein Gefäß für Magie am Tisch durch Pflanzen zu schmücken, betont. Eine markante Ausnahme von der Regel, dass die Gefäße nicht mit der Natur entnommenen Motiven geschmückt werden, stellen nur die bekannten Hausurnen der Latobiker von Dolenjsko dar. Doch diese waren für einen von unserem Thema entfernten Zweck bestimmt.Längere, im Land während des Herstellungsprozesses entstandene oder später eingeritzte und für unser Thema interessante Inschriften sind kaum bekannt. Es könnte eigentlich nur die Inschrift VTERE FELIX vom Topf aus dem 3. Jh. von Neviodunum - Drnovo angeführt werden.Zur Deutung besitzt allerdings der Archäologe noch eine sehr wichtige Forschungsquelle - die Fundortangaben. Durch diese wird beispielsweise bestätigt, dass die Funde aus dem Fluss Ljubljanica im Kult, vorerst der Einheimischen, dem aber - den inschriftlichen Quellen nach - auch die Italiker sehr bald intim verbunden gewesen sind (auch Šašel Kos 1999; Gaspari 1998; 2002), eine bedeutende Rolle gespielt haben. Weiter wird die Deutung der Grabfunde erleichtert. So kann auch die Verbindung des Tafelgeschirrs mit den bis zur Spätzeit und zum Opfermahl des christlichen Glaubens reichenden Kult- und Magiehandlungen bestätigt werden.Wir besitzen also mehr oder weniger Beispiele, wie schon während der Römerzeit zwischen dem Erzeuger und dem Verbraucher Missverständnisse des Sinnes von einem Gegenstand entstanden sein können. Meistens haben aber die Leute auch in den Provinzen genau gewusst, um welchen Zweck und welchen Sinn es sich bei gewissen Artefakten und Abbildungen handelt. Unser heutiges Verstehen wird dagegen in Fällen, wo wir keine direkte schriftliche Quelle besitzen, natürlich durch die große Entfernung in der Zeit und eine sehr (obwohl nicht vollkommen) veränderte Vorstellungswelt belastet