
Janž Ravbar, Oratio ad principem et senatum Venetum, 1507: govor renesančnega diplomata
Author(s) -
Primož Simoniti
Publication year - 2010
Language(s) - German
Resource type - Journals
ISSN - 2350-4234
DOI - 10.4312/keria.12.2-3.307-324
Subject(s) - humanities , art , physics , philosophy
Kaiser Maximilian I. wollte im Jahr 1507 mit einer großen militärischen Eskorte nach Rom reisen, um sich dort endlich zum Oberhaupt des Heiligen römischen Reiches deutscher Nation krönen zu lassen. Zu diesem Zweck sandte er vom Reichstag in Konstanz eine Gesandtschaft nach Venedig, um die Durchreise durch das venezianische Territorium auszuhandeln. Er trug sich dabei mit dem Gedanken, mit Hilfe der Serenissima das von den Franzosen besetzte Mailand zurückzuerobern, die Franzosen aus Italien zu vertreiben und den Papst zur Kaiserkrönung zu zwingen. Laut Notizen des venezianischen Patriziers und Chronisten Marino Sanuto erschienen die kaiserlichen Gesandten am 21. Juni in offizieller Audienz vor dem Dogen und dem Großen Rat und Ioannes Rauber, ein Krainer aus der bekannten Krainer Adelsfamilie, Cousin des bekannten Humanisten und Mäzens, des zweiten Laibacher Bischofs Christoph Rauber, hielt die Antrittsrede. Er studierte und erwarb sich den Doktortitel beider Rechte offensichtlich in Italien und war kaiserlicher Rat und Sekretär. Während der darauf folgenden Verhandlungen, die von den Venezianern bis Mitte August hinausgezogen und schließlich mit einer abschlägigen Antwort beschieden wurden, ließ er die Rede drucken und sie in Venedig zum Kauf anbieten. In Eile und wohl versehentlich veränderte der Drucker seinen Namen in Ioannes Rebler. Raubers Oratio ad principem et senatum Venetum (am Schluß des Artikels ediert) stellt ein schönes Beispiel einer zwar kurzen, rhetorisch jedoch sehr könnerisch verfassten und diplomatisch geschickt formulierten Ansprache dar, die den hohen Standards der humanistischen Rhetorik entspricht, wie sie in Italien schon längst zur Norm geworden waren. Auf die Anfangskomplimente an die Republik Venedig und den Lob der Germanen werden im Zentralabschnitt Kaiser Maximilians kriegerische und menschliche Herrschertugenden mit überschwänglichem Pomp gerühmt, um dann zur Sache zu kommen: der Redner bittet um freie Durchreise der kaiserlichen Truppen und wirbt für ein neues Bündnis zwischen dem Reich und der Republik, denn der Kaiser werde nicht nur die venezianische Freiheit schützen, sondern auch die Freiheit ganz Italiens vor dem Wüten der neuen Tyrannen wiederherstellen. Mit diesen sind natürlich die Franzosen gemeint, denn schon im zweiten Absatz der Rede geht der Redner mit diesem Thema diplomatisch sehr geschickt um: dort lobt er nämlich die Germanen mit deutlichen Zitaten bzw. Anklängen an Caesar, indem er in Antithese zu den Untugenden der Franzosen/Gallier, die namentlich gar nicht genannt werden, die Tugenden der Deutschen/Germanen hervorhebt; dabei scheint am Schluß dieser Partie ein warnender, fast möchte man sagen drohender Unterton an die Venezianer mitzuschwingen, sollten sie das kaiserliche Freundschaftsangebot nicht annehmen. Keine Stelle in der Rede bezieht sich dagegen direkt auf Tacitus‘ Germania, sonst stehender Posten im rhetorischen Topos des »Germanenlobes«, wie er vor allem in sogenannten Türkenreden (seit der berühmten Rede von Enea Silvio Piccolomini am Frankfurter Reichstag 1454 Tradition) üblich war. Der Redner scheint das absichtlich gemacht zu haben, denn bei den Italienern hätte das Tacitusbild von den kriegerischen und freiheitsliebenden, jedoch primitiven und unter sich zerstrittenen Germanen vielleicht unerwünschte Assoziationen wecken können. Dagegen ließen sich die für den Diplomaten wesentlichen antifranzösischen Seitenhiebe mit Caesar-Anklängen kurz und bündig in der Rede unterbringen