
Solidarität in der Krise. Für ein Verständnis politischer Solidarität in Corona-Zeiten im Anschluss an H. Arendt
Author(s) -
Michael Reder,
Karolin-Sophie Stüber
Publication year - 2020
Publication title -
zeitschrift für praktische philosophie
Language(s) - German
Resource type - Journals
ISSN - 2409-9961
DOI - 10.22613/zfpp/7.2.18
Subject(s) - humanities , political science , philosophy
Solidarität ist einer der zentralen normativen Begriffe in Zeiten der Corona-Pandemie. Vor dem Hintergrund der philosophischen Debatte um Solidarität wird eine Heuristik entlang der Unterscheidung einer sozial-, politisch-philosophischen und ethischen Perspektive vorgeschlagen. Anhand dieser Heuristik wird der gegenwärtige gesellschaftliche Diskurs um Solidarität in der Pandemie rekonstruiert, analysiert und kritisiert. Solidarität, so die These, wird in Corona-Zeiten auf ihre soziale Dimension enggeführt, was einerseits zur Mobilisierung von Gemeinschaften und der Eindämmung der Pandemie führt, andererseits aber auch zu (nationalen) Schließungen und Exklusionen nach innen und außen. Indem Politik als evidenzbasierte und alternativlose Technik etabliert wird, vollzieht sich eine fortschreitende Entpolitisierung, durch die soziale Ungleichheit sowohl lokal als auch global oft unhinterfragt reproduziert wird. Demgegenüber diskutiert der Beitrag mit Rückgriff auf Arendts Begriff des Politischen ein alternatives Verständnis von Solidarität in Zeiten der Pandemie. Dieses baut auf sozialer Relationalität auf und kritisiert eine mechanistische Logik des Politischen. Mit Arendt werden die Pluralität, das kritische Denken und der Neuanfang als zentrale Elemente des Politischen angesichts von Krisen betont. Dadurch wird das Konzept der Solidarität um eine politische Dimension erweitert und ein produktiver Umgang mit den gegenwärtigen Schließungen und Exklusionen in der Corona-Pandemie vorgeschlagen. Schließlich können die durch die Pandemie offenkundiger gewordenen Krisen des Kapitalismus und Liberalismus reflektiert und das Politische als ein offen-diskursiver Raum jenseits eng gefasster Grenzen neu gedacht werden.