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Die »Sommerdurchfalle» der Kinder in Ankara
Author(s) -
ECKSTEIN Prof. Dr. med. ALBERT
Publication year - 1938
Publication title -
acta pædiatrica
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.772
H-Index - 115
eISSN - 1651-2227
pISSN - 0803-5253
DOI - 10.1111/j.1651-2227.1938.tb03669.x
Subject(s) - medicine , gynecology
Zusammenfassung Die Sommerdurchfälle» der Kinder in Ankara wurden bei 700 Patienten in der Poliklinik der Kinderklinik des Staat‐lichen Musterkrankenhauses auf ihre Häufigkeit, den Verlauf der Erkrankung, ihre Beziehungen zum Ernährungsregime u. der Altersdisposition, ferner zu den klimatischen Faktoren, hauptsächlich zu der Hitze untersucht. Wir kamen dabei zu folgenden Ergebnissen: Die Ernährungsbedingungen der Kinder des ersten Lebensjahres, auch bei der ärmeren Schicht, sind sehr gänstig, da der Stillwille u. das Stillvermögen der hiesigen Bevölkerung vorzüglich sind. Unter 180 Kindern waren am Ende des 1. Lebensjahres noch 74,4% an der Brust. Dnter 643 Kindern des 2. Jahres wurden sogar noch 32,7% gestillt. Die Ernahrungsbedingungen für die alteren Kinder sowie iiberhaupt nach Ab‐setzen von der Brust sind weniger günstig, da eine Versorgung mit preiswerter u. einwandfreier Kuhmilch erschwert ist. So wurden unter 643 Zweijährigen 48,2% u. unter 267 Kindern des 3. Jahres bereits 63% ohne Milch ernährt. Der körperliche Zustand dieser Kinder war im Durchschnitt weniger gut als bei den Säuglingen, zumal auch andere einwandfreie Nahrungsmittel nicht immer in genügender Menge zur Verfügung standen. Anhangsweise sei erwähnt, dass im Gegensatz zu den westeuropäischen Kindern derselben sozialen Schicht Rachitis (u. Tetanie) nur selten vorkommen. Unter 8,697 Patienten unserer Poliklinik (1935) sahen wir nur bei 1,8 % Rachitis. Das Klima von Ankara ist ein Steppenklima. CHRISTIANSEN‐WENIGER bezeichnet es mit der Köppenschen Formel als B Sashv (BS=Steppenklima) (a = wärmster Monat über 22» im Durchschnitt, s = trockenste Zeit im Sommer, k = Winterkalt, v = Klimafaktoren veränderlich). Der Mai, in dem die »Sommerdurchfalle» begannen, war 1936 verhältnissmässig kühl, die Temperatur im Schatten war im Monatsdurchschnitt im Minimum 8,5°C, im Maximum 20,6° C. Der heisseste Monat war der August mit einem Minimum von 16,6° C. u. einem Maximum von 31,7° C. Das absolute Maximum der Sonnenscheintemperaturen war im Mai 58,5° C, im August 66,1° C. Dementsprechend sank die relative Luftfeuchtigkeit im August im Durchschnitt bis auf 37,7%, wobei sie Mittagswerte bis nur 22 % zeigte. Die Epidemie der »Sommerdurchfälle» setzt schon während der kühlen Jahreszeit (Mai) ein, sie klingt auf dem Höhe‐punkt der Hitzewelle (anfangs August) wieder ab u. verschwin‐det noch während der heissen Zeit vollständig. Es handelt sich also nicht um eine »Hitzeschädigung» im Sinne einer Störung der physikalischen Wärmeregulierung. Die Altersschichtung der Kinder in Ankara wurde überprüft u. die Pflege‐ u. Lebensbedingungen ausführlich dargelegt. Dabei wurde die Frage des ehelichen u. unehelichen Kindes, die Wohnungsverhaltnisse u. vor allem die oben schon erwähnten Ernährungsbedingungen berücksichtigt. Die an »Sommerdurchfälien» erkrankten Kinder wurden auf die Altersdisposition u. auf etwaige Beziehungen zum Ernährungsregime überprüft. Der Höhepunkt der Erkrankungsziffer liegt zwischen dem 9. u. 18. Lebensmonat, am nächsten dem Ende des 1. Jahres, also später als bei den »Sommerdurchfällen» der Säuglinge in Westeuropa. Die erkrankten Kinder entsprachen in ihrem prozentuellen Anteil in engen Grenzen dem Anteil der Gesunden am Ernährungsregime. Die Brustkinder waren daher am stärksten dabei vertreten. Die »Sommerdurchfälle» hängen also nicht direkt vom Ernährungsregime ab, wie dies bei den mit Kuhmilch ernährten Kindern der meisten westeuropäischen Ländern der Fall ist. Bei den hiesigen Durchfallserkrankungen spielen also reine Ernährungsschäden nur eine untergeordnete Rolle. Das klinische Bild der »Sommerdurchfalle» wurde ausführlich beschrieben u. dabei, besonders bei den Toxikosen, die Seltenheit der Exsikose bezw. sogar eine gewisse Ödembereitschaft als Ausdruck einer toxischen Schädigung des Wasserhaushaltes betont. Die Verschiedenheit des Verlaufs der leichten, mittelschweren, schweren u. toxischen Fälle wurde dargelegt, vor allem auch mit Rücksicht auf die Beurteilung der therapeutischen Massnahmen. Weitere Beräcksichtigung fand das Auftreten von Gruppenerkrankungen. Das Ergebniss der bakteriologischen Stuhluntersuchungen bei 85 Kindern war wenig aufschlussreich. Nur in vereinzelten Fällen gelang es, Erreger der Typhus bezw. Ruhrgruppe nachzuweisen. Bei einigen weiteren Fällen konnten wir Askariden, Trichomonas u. Lamblia als Ursache für die z. T. schon lange bestehenden Durchfälle feststellen. Erfolgreicher waren die serologischen Untersuchungen. Bei 148 Kindern wurde die Widalsche Beaktion auf Ty, Para ty A. u. B., ausserdem auf Dysenterie, Schottmiiller, Gärtner u. Breslau durchgefiihrt. In 16.89% der untersuchten Fälle war Widal 1: 100 bis 1:400+, so dass diese Fälle aus dem Rahmen der »Sommerdurchfälle» herauszunehmen sind u. als Typhus abd. betrachtet werden müssen. Bei 2 Kindern war die Agglutination 1: 200 + auf Para Ty A. Auf einen Fall von »Neugeborenentyphus» ist besonders hinge wiesen worden. Die Stuhluntersuchungen u. Agglutinationsproben ergaben, dass die Mehrzahl der an »Sommerdurchfällen» Erkrankten nicht in die Gruppe der Typhus‐ u. Ruhrerkrankungen einzureihen ist. Es besteht vielmehr die Möglichkeit, dass die im übrigen sehr gleichförmig u. nach Art einer Epidemie verlaufende Krankheit durch einen zunächst noch nicht isolierbaren Erreger ausgelöst wurde, möglicherweise auch durch einen »Dyspepsiekoli». Therapeutisch hat sich die Behandlung mit Antidysenterieserum (Staatl Zentral Hygiene Institut Ankara) bewahrt. Kontrollversuche mit Leerserum ergaben, dass es sich dabei weitgehend urn eine unspezifische Wirkung handelt. Bei 477 auf diese Weise behandelten Kindern, die je nach dem Grad der Erkrankung in Gruppen zusammengefasst u. wobei die toxischen Fälle besonders berücksichtigt wurden, fand sich nach Abzug von 108 unkontrollierten, meist Kranken leichteren Grades, dass, einschl. der Todesfälle, nur in 14.6% der Erfolg ausblieb. Wir halten daher die Serumtherapie, namentlich der schweren u. toxischen Fälle für sehr aussichtsreich. Nötigenfalls muss sie durch Herzmittel u. Diät (Nahrungseinschränkung in der üblichen Weise) unterstützt werden. Schwieriger wird die Frage der Prophylaxe zu lösen sein. Da wir auf Grund unserer Beobachtungen einen ursächlichen Zusarnmenhang mit einer Infektion des Magen‐Darmkanals annehmen, vor dem auch die Ernährung an der Brust nicht schätzt, so muss zunächst gefordert werden, die allgemeinen hygienischen Bedingungen in der Pflege u. in der Umwelt der Kinder zu verbessern. Da die Serumbehandlung nur eine Therapie, aber keine Prophylaxe darstellt, miissen noch andere Wege gefunden werden, wobei wir im Augenblick an eine Schutzbehandlung mit Bakteriophagen denken. Es wird weiteren Arbeiten vorbehalten bleiben, eine Lösung dieser Fragen zu finden.

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