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KAPITEL VIII: Untersuchung der motorischen Magenfunktion wahrend schwerer Zustände von Erbrechen variierender Natur
Publication year - 1935
Publication title -
acta pædiatrica
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.772
H-Index - 115
eISSN - 1651-2227
pISSN - 0803-5253
DOI - 10.1111/j.1651-2227.1935.tb07398.x
Subject(s) - medicine , gynecology
Zusammenfassung und Erorterung. Während verschiedener Krankheitszustände, unter deren Symptomen Erbrechen dominiert, scheint von der motorischen Funk‐tion des Magens das Evakuierungsvermogen in den Intervallen zwischen einem Erbrechen und dem anderen oft gut erhalten zu sein. So war das Verhalten bei je einem Fall von Uramie, Pneumonie mit Meningismus, akuter Gastroenteritis sowie bei schwerem Infek* tionserbrechen und bei zwei Fallen von Arsenikintoxikation. Ein Fall von Pneumonie und ein Fall von tuberkuloser Meningitis zeigten in den früheren Stadien der Evakuierung des Magens gleichfalls nichts vom Normalen Abweichendes. Dagegen war in je einem Fall von Migrane und Coma diabeticum der Entleerungsmecha‐nismus des Magens gestört. Bei periodischem Erbrechen mit Ketonämie zeigt es sich, dass während der Anfälle ein sehr abnormer Zustand des Magens vorliegt wahrend er in den freien Intervallen in ganz normaler Weise fungiert. So wurde bei einem Patienten wahrend dreier verschie‐denen Anfalle (bei zweien davon schon 1–2 Stunden nach deren Beginn) eine beinahe vollstandige Retention nachgewiesen. Ebenso war das Verhalten bei zwei anderen Patienten im Laufe der Anfalle. Bei einem Patienten in der Schlussphase eines Anfalles lag gleichfalls noch eine starke Entleerungsstorung vor, wenn der Magen auch dann und wann kleine Mengen durchliess. Schliesslich zeigte ein Patient unmittelbar nach dem Aufhoren eines Anfalles eine noch anhaltende leichte Hemmung der Magenentleerung. Es ist weiter nachgewiesen worden, dass unmittelbar nach dem Einsetzen von provozierten Anfallen bei zwei Pat. gleichfalls abnorme motorische Funktion des Magens vorhanden war. Bei dem einen Fall war die Insuffizienz des Entleerungsvermogens stark ausgesprochen, beim anderen Falle in geringerem Grad. Diese Beobachtungen konnen erklaren, warum sich die Zucker‐zufuhr per os im ersteren Falle als unwirksam erwies, im letzteren dagegen von Erfolg war. Fur periodisches Erbrechen scheint also bezeichnend zu sein, dass der Magen wahrend des Bestehens von Anfallen ausserst abnorme Evakuierungsbedingungen aufweist. Die Ursache hierzu muss in den Innervationsvorgangen im vegetativen Nervensystem liegen. Ob die Störung dem sympathischen oder dem parasym‐pathischen Nervensystem zugeschrieben werden soil, ist bei der engen Verbindung dieser Systeme miteinander, wie immer schwer zu entscheiden. Nach v. Bergmann existieren überhaupt keine Falle von reiner Vago‐ oder Sympathikotonie, sondern es mischen sich immer Symptome von beiden mit einander. Gewisse Bilder (z. B. Tafel 5, Fig. 1–4) deuten auf eine starke Hypertonic im Magen, besonders vom distalen Teil des Korpus zum Pylorus (regionarer Gastrospasmus), und gleichen ubrigens ziemlich stark den Bildem, die Klee bei seinen Versuchen an dezerebrierten Katzen durch einen erhohten Vagustonus mit aufge‐hobenem Sympathikustonus gefunden hat. In der Mehrzahl der Falle zeigte dagegen der Magen wahrend des Anfalls eine ausge‐sprochene Hypotonie (Tafel 6, 7, 8). In samtlichen Fallen lagen ein Pylorusokklusion und sehr schwache, mitunter aufgehobene Peristaltik vor. Die Veranderungen von Tonuszustand und Pe‐ristaltik und die Pylorusokklusion bedingen eine starke Storung des Entleerungsmechanismus. Die schliessliche Wirkung dieser Storungen der Magenmotilitat wird durchwegs ein sehr mangelhaftes oder vollstandig aufgehobenes Vermogen des Magens, seinen Inhalt in den Darm zu entleeren. Es dürfte folglich hier, wie es bei Störungen der Mageninnervation gewohnlich der Fall ist (Assmari) sowohl im sympathischen als audi im parasympathischen Systeme ein starker Reizungs‐zustand vorhanden sein. Übergang von Hyper‐ resp. Hypotonie zu Atonie wurde beobachtet, wenn der Pat. aus horizontaler in vertikale Stellung gebracht wurde, was zeigt, dass im Verlaufe des Anfalles Anderungen der Reizungsimpulse stattfinden konnen (siehe Fall VII und IX). Für das periodische Erbrechen mit Ketonämie ist also ein abnormer Innervationszustand im vegetativen Nervensystem charak‐teristisch. Die Krankheit kann in dieser Hinsicht zu den funktio‐nellen Magenneurosen im engeren Sinne gerechnet werden. Betreffs des pathologischen Befundes bei dem oben erwähnten Fall von Migrane sei auf die interessante Tatsache hingewiesen, dass viele Verfasser früher wie spater betont haben, dass zwischen Migrane und periodischem Erbrechen ein Zusammenhang bestehe. Dabei stützen sie sich vor allem auf das häufige Vorkommen von Migräne in der Aszendenz, ein Verhalten, dass ich gleichfalls be‐statigen konnte (6 von 14 Fallen). Hamburger hat auch die Be‐obachtung gemacht, dass periodisches Erbrechen in den Kinder‐jahren spater in Migrane tibergehen kann (zit. nach Siegl). Was den Reizungszustand im vegetativen Nervensystem betrifft, scheint sich also vielleicht ein Beruhrungspunkt vorzufinden. In Bezug auf den Fall von Coma diabeticum will ich nur darauf hinweisen, dass der Stoffwechselzustand dabei und bei schweren Anfallen von periodischem Erbrechen in gewissen Beziehungen gleichartig ist. Schliesslich will ich auch betonen, dass die Röntgenunter‐suchungen bei der kongenitalen intermittierenden Duodenalstenose (Camera, Duval und Roux) sichtlich ganz andere Resultate gegeben haben, als ich bei periodischem Erbrechen mit Ketonämie gefunden habe. Dies deutet darauf, dass wir es hier mit zvrei verschiedenen Krankheitszustanden zu tun haben.