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Selbstbegegnungen in der Stadt
Author(s) -
Gilson Elke
Publication year - 2010
Publication title -
orbis litterarum
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.109
H-Index - 8
eISSN - 1600-0730
pISSN - 0105-7510
DOI - 10.1111/j.1600-0730.2009.00987.x
Subject(s) - philosophy , art , humanities
Der Titel von Inka Pareis Debütroman Die Schattenboxerin wird im vorliegenden Aufsatz als programmatisch aufgefasst für ein Schreibprojekt, das die Grenzen zwischen „Innen“ und „Außen“ im Prozess der Wahrnehmung erkundet. Halluzinatorische Erfahrungen, Selbstbegegnungen und Spiegelungen zeugen von einem Reflexivwerden der Wahrnehmung infolge eines traumatischen Ereignisses im persönlichen Leben der Protagonistin. Die Berliner Stadtlandschaft wird im Roman zum Objekt eines „erinnernden Sehens“, das die Folgen der individuellen Vergangenheit mit denen der kollektiven Geschichte parallelisiert. Intertextuelle Bezüge zu Texten aus der Zeit um 1800 (besonders Hoffmann), 1900 (besonders Rilke) und 2000 (Berlinromane), die jeweils an historischen Übergangsmomenten ganz ähnliche Erzählstrategien verwendet haben, verdeutlichen deren Relevanz für die Darstellung der epistemologischen Verunsicherungen, die Jahrhundertwenden zu begleiten scheinen. Zu Überlegungen über die möglichen ethischen und politischen Motivationen für den festgestellten kollektiven Rückgriff auf romantische Motive und Darstellungsweisen zehn Jahre nach dem Fall der Mauer bietet besonders die Situierung der Schattenboxerin im Kontext der zeitgleich veröffentlichten Berlinliteratur Anlass. Das diachrone Nachzeichnen der Konvergenzen zu anderen Texten fördert darüber hinaus die Einsicht in die Spezifität der Erzählkonstruktion Inka Pareis, die für die Realisation eigener Zwecke in einigen wesentlichen Punkten von den verwendeten Modellen abweicht.