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Gnadenlos und gnadenreich
Author(s) -
Goldbæk Henning
Publication year - 2008
Publication title -
orbis litterarum
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.109
H-Index - 8
eISSN - 1600-0730
pISSN - 0105-7510
DOI - 10.1111/j.1600-0730.2008.00911.x
Subject(s) - humanities , philosophy
Walter Benjamin hat nie ein Passagenwerk geschrieben und es gibt kein Beethovenbuch von Adorno, und doch sind beide Bücher mehr als Zitatsammlungen oder Werkruinen. Denn in beiden Fällen werden die Themen der einzelnen Bruchstücke später wieder aufgenommen und weiterentwickelt, und vor allem verweisen sie auf ein Archiv, alle Textfragmente und Fundstücke gehen auf eine Quelle zurück, denn sie sind Beweismaterial nicht nur für Adorno und Benjamin sondern auch für den Leser der Gegenwart und der Zukunft. Der Leser liest das Fundstück, verfolgt den Prozess der Transformation aus einem Zusammenhang in einen neuen, der von den beiden Autoren angedeutet, aber nicht vollzogen ist. Der Leser nimmt dadurch Teil an den Auflösungsprozess einer verjährten Totalität, aber auch an den Wiederaufbau eines neuen Sinnes und eines neuen Werkes. Wenn Beethovens Missa solemnis für Adorno rätselhaft und widersprüchlich ist, dann nicht nur als Werk, sondern auch als Ausdruck einer Modernitätserfahrung, die schon von Benjamin inauguriert wurde und die beide dazu zwingen, einen veraltet‐organischen Werkbegriff durch den eines offenen Werkes zu ersetzen.

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