Thomas Bernhards Korrektur. Ein Untergang

In diesem Artikel zu Thomas Bernhards 1975 erschienen Roman Korrektur sollen zwei methodische Anzatze zusammengefuhrt wer‐den, die in der Thomas Bernhard Forschung in Konflikt miteinan‐der stehen: Es wird behauptet, daß der Roman einerseits dem poetologischen Kernsatz Bernhards von der Kunstlichkeit alien Geschehens in seinen Biichern gerecht wird, indem er extrem selbstreferntiell ist, d.h. der Roman problematisiert auf vielen Ebenen den spezifischen Schreibprozess Thomas Bernhards. Auf der anderen Seite erlaubt es die interpretatorische Limitation auf diesen Aspekt nicht, das eigentliche Thema des Romans, namlich den Untergang Roithamers, zu deuten. Unter Verwendung eines psychologischen Ansatzes soil deutlich gemacht werden, daB dem individuellen Sprachgestus Bernhards eine spezifische psychische Befindlichkeit des Protagonisten Roithamers korreliert, die erkla‐ren kann, warum die in diesem Roman entwickelte Kunstutopie nicht realisiert werden kann. Der Versuch Bernhards, den in der Korrektur etablierten Kunstkosmos gegen alle störenden Tendenzen von außen abzu‐schließen, weist dezidiert paranoische Tendenzen auf. Allerdings schließen sich diese Tendenzen nicht zu einem (Wahn‐) System, so daß der Kiinstler Roithamer am Ende an einem ästhetischen Absolutheitsanspruch scheitert, der von der modernen Kunst nicht mehr eingefordert werden kann. Es ist jeweils die Welt des Dichters, die zugrunde geht, und zwar eine erdichtete Welt, die von vornher‐ein gezeichnet und zum Untergang bestimmt ist, ein Reich, das geschaffen ist, um zu vergehen, eine Welt des Verfalls und des Untergangs (H. Petriconi: Das Reich des Untergangs: Bemerkun‐gen über ein mythologisches Thema. Hoffmann & Campe, S. 15. (Hamburg 1958)