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Wandlung und Wahnsinn. Zu expressionistischen Erzählungen von Döblin, Sternheim, Benn und Heym
Author(s) -
Ihekweazu Edith
Publication year - 1982
Publication title -
orbis litterarum
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.109
H-Index - 8
eISSN - 1600-0730
pISSN - 0105-7510
DOI - 10.1111/j.1600-0730.1982.tb01045.x
Subject(s) - philosophy , humanities
Über expressionistische Prosa besteht bis in die jüngste Forschung noch wenig Einigkeit. Der Artikel versucht, an einer Auswahl von Texten ein zentrales Motiv, das des Wahnsinns, mit der Veraänderung der bis dahin konventionellen Erzählstrukturen in Zusammenhang zu bringen. Dabei ergibt sich, daβ der Wahnsinn, in der Forschung meist als pathologisches Phänomen behandelt, bei vielen expressionistischen Autoren zum antibürgerlichen Prinzip par excellence aufgewertet wird und der Irre zu einer Verkörperung des ≪neuen Menschen≫. Nicht das Leiden steht im Vordergrund, sondern die destruktive Energie, welche durch die Zerstörung oder Ausschaltung der Rationalität vitale und schöpferisch‐imaginative Kräfte freisetzt, also utopische Qualität hat. Von besonderem Interesse sind dabei Texte, in denen die Wandlung des Bürgers zum Wahnsinnigen stattfindet. Für die Erzählstruktur bedeutet die Perspektive des Wahnsinnigen nicht nur Verfremdung der Welt, sondern auch Auflösung psychologischer Abläufe, die der zentralen Forderung der expressionistischen Prosatheorie entspricht. In den Texten zeigt sich, wie das Experiment des Wahnsinns inhaltlich in verschiedener Weise zu Aggression, Selbstzerstörung, Introversion und Isolation führt ‐ Formen einer radikalen Kommunikationsver‐weigerung mit dem ≪Bürger≫ ‐ und in der Darstellungstechnik zu diskontinuierlichen Erzählformen, die dessen Leseerwartungen schockieren. Trotzdem bleibt der Wahnsinn eine noch‐rationale Motivation, die den Prozeβ einer Umwandlung deutlich macht, der erst im Surrealismus und Dadaismus kulminiert.