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Robert Musil und die Zahl:Anmerkungen zum Verhältnis von funktionaler Denkweise und stilistisch‐semantischen Disparitäten bei Robert Musil
Author(s) -
Leśniak Sławomir
Publication year - 2012
Publication title -
german life and letters
Language(s) - English
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.1
H-Index - 12
eISSN - 1468-0483
pISSN - 0016-8777
DOI - 10.1111/j.1468-0483.2011.01558.x
Subject(s) - philosophy , identity (music) , dynamism , humanities , function (biology) , epistemology , aesthetics , evolutionary biology , biology
The language of Robert Musil's prose is characterised by the two sharply drawn stylistic and semantic contradictions observable between two forms of identity or unity – that of number (conceptual) and that of ‘utopian moment’ (affective). The aim of the present paper is not to define Musil's attitude to mathematics and technique, but rather to explore the mechanism of ‘pure function’ reasoning which endows Musil's stylistic‐semantic contradictions with dynamism and structure, both in his essays and in his novel Der Mann ohne Eigenschaften . The analyses attempted here are founded on the logical‐mathematical concept that presupposes two types of mental operations as functions of number: limiting‐defining and restricting‐isolating. The main conclusion resulting from these analyses points to the restricting‐isolating operation as the basic stylistic‐semantic aspect of Musil's prose. That condition, as utopian experience of affective‐spiritual oneness or unity (Agathe and Ulrich in the novel Der Mann ohne Eigenschaften ) is transformed into something general and fantastic and therefore acquires the function of number; in his essays, on the other hand, one detects that characteristic indefiniteness typical of Musil's prose, a hesitation or vacillation between that which is personal and that which is (non)‐supra personal, between the incalculable multiplicity of evaluative possibilities on the one hand and precise observation on the other. Die Prosa Robert Musils ist durch scharf ausgeprägte, stilistisch‐semantische Disparitäten zwischen zwei Einheiten gekennzeichnet – der Einheit der Zahl ( begrifflich‐funktionale Identität ) und der des ‘utopischen Augenblicks’ ( affektiv‐seelische Identität ). Ziel der Arbeit ist nicht die Erforschung von Musils Verhältnis zur Mathematik und Technik, sondern die Erhellung der Denkmethodik, der die reine Funktion zugrunde liegt und die den stilistisch‐semantischen Disparitäten in seinen Essays sowie dem Roman Der Mann ohne Eigenschaften Dynamik und Struktur verleiht. Den Ausgangspunkt der Analysen bildet ein logisch‐mathematisches Schema, das zwei Denkoperationen als Funktion der Zahl voraussetzt: die eingrenzend‐präzisierende und abgrenzend‐isolierende. Die Überlegungen münden in die These, dass in der Prosa Musils die abgrenzend‐isolierende Operationsweise als ihre stilistisch‐semantische Dominante vorherrscht. Dieser Zustand als eine negative Dialektik von Analogie und Differenz hat für das Verhältnis von Sprache und Denken bei Musil zweierlei Implikationen: Das utopische Erlebnis der affektiv‐seelischen Einheit (Agathe und Ulrich im Roman Der Mann ohne Eigenschaften ) wird zu etwas Allgemein‐Fantastischem und geht damit in die Zahlfunktion mit ein. Im Essay dagegen lässt sich eine für Musil charakteristische Unbestimmtheit beobachten, ein Schwanken zwischen Persönlichem und (Nicht)‐Überpersönlichem, zwischen unzählbarer Mannigfaltigkeit von Wertungsmöglichkeiten und übersichtlichem Zusammenhang.