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‘Eine Bindung durch Hass’: Double‐Agency, Mimesis and the Role of Hands in Monika Maron's Stille Zeile Sechs
Author(s) -
Ring Annie
Publication year - 2010
Publication title -
german life and letters
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.1
H-Index - 12
eISSN - 1468-0483
pISSN - 0016-8777
DOI - 10.1111/j.1468-0483.2010.01497.x
Subject(s) - art , art history , humanities , psychoanalysis , psychology
This article deals with the case of collaboration portrayed in Monika Maron's novel Stille Zeile Sechs . Her protagonist, Rosalind Polkowski, has been celebrated as resisting the disciplinary state structures represented by her employer, former SED Party functionary Herbert Beerenbaum. Meanwhile the text's narrative structure and a curious mimetic function in the heroine's behaviour appear to encourage a psychoanalytical reading: Polkowski as traumatised victim of Communism. But her role transcribing Beerenbaum's memoirs positions her as a more problematic double‐agent, a handmaid of power. Polkowski's double‐agency has an interesting historical counterpart in the author's own brief affair as a Kontaktperson (code‐name ‘Mitsu’) for the foreign intelligence service of the East German secret police. Maron's involvement in ‘Stasi’ operations worked in contradiction to her oppositional stance, and reflected a ‘hateful bind’ that she felt in relation to the GDR. To read the double‐agency that the fictional and historical cases share in terms of guilt or victimhood is insufficient. Placed alongside the ‘Mitsu’ case, Polkowski's fictional double‐bind brings to light what we might call a ‘security complex’, a network of subjective and state securities in which collaboration and resistance are matters of constant negotiation between power and the subject. Der Artikel beschäftigt sich mit einem Fall der Kollaboration in Monika Marons Roman Stille Zeile Sechs . Marons Protagonistin, Rosalind Polkowski, ist mehrfach als Figur des Widerstands ausgezeichnet worden, insofern sie gegen die Staatsmacht aufbegehrt, die von ihrem Arbeitgeber, dem ehemaligen SED‐Funktionär Herbert Beerenbaum vertreten wird. Die Erzählstruktur des Romans und die Inszenierung eines mimetisch‐traumatischen Verhaltens von Polkowski scheinen inzwischen eine psychoanalytische Leseart anzuregen, die sie als ‘Opfer’ des Kommunismus darstellt. In ihrer Rolle als Schreibkraft, die Beerenbaums Memoiren transkribiert, erweist sich Polkowski jedoch vielmehr als eine problematische Doppelagentin, als eine Handlangerin der Macht. Polkowskis Doppelagententätigkeit hat ein interessantes Gegenstück: Maron selbst war für kurze Zeit unter dem Decknamen ‘Mitsu’ als Kontaktperson für die ‘Hauptverwaltung Aufklärung’ des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR tätig. Marons Verwicklung in die operative Arbeit des MfS stand im Gegensatz zu ihrer oppositionellen Haltung, und reflektierte eine ‘Bindung durch Haß’, die sie gegen ihren Willen mit dem Staat verband. Ich schlage vor, dass die Doppelagententätigkeit, die von dem fiktiven wie von dem historischen Fall bezeugt wird, über Bezugssysteme von Schuld und Opferschaft hinausgeht. Eine Lektüre des Romans neben dem ‘Fall Mitsu’ bringt stattdessen ein Netzwerk der subjektiven und staatlichen Sicherheiten ans Licht, einen ‘Komplex der Sicherheit’ vielleicht, innerhalb dessen Mitarbeit und Widerstand zwischen Macht und Subjekt ständig neu ausgehandelt werden müssen.