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Männermythos, Frauenmythos, und Danach? Anmerkungen Zum Mythos Ingeborg Bachmann
Author(s) -
Albrecht Monika
Publication year - 2004
Publication title -
german life and letters
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.1
H-Index - 12
eISSN - 1468-0483
pISSN - 0016-8777
DOI - 10.1111/j.1468-0483.2004.00272.x
Subject(s) - humanities , philosophy , art
Der Essay setzt sich kritisch mit zwei Aspekten des gegenwärtigen Bachmann‐Bildes auseinander, mit der Rückkehr des ‘Männermythos’ Ingeborg Bachmann in der literarischen Öffentlichkeit und mit der Fortschreibung des feministischen Bachmann‐Mythos in der deutschen Literaturwissenschaft. Zunächst zeigt ein Blick auf das Bachmann‐Bild in der neueren Zeitungskritik, dass dort inzwischen wieder präfeministische Vorstellungen und Klischees reaktiviert werden, die den Bachmann‐Mythos der 1950er Jahre im neuen Gewand des ausgehenden 20. Jahrhunderts auferstehen lassen. Aber auch das Bachmann‐Bild der feministischen Literaturwissenschaft hat sich noch nicht von Konstruktionen der 1980er Jahre gelöst, vor allem insofern, als nach wie vor an der Vorstellung von Bachmann als einer feministischen Vordenkerin festgehalten wird. Damals galt die Schreibweise der Autorin als vorweggenommene Konkretisierung poststrukturalistischer Thesen, heute werden ebenfalls wieder die neuesten geistes‐ und kulturwissenschaftlichen Errungenschaften in ihre Texte hineingelesen. Demgegenüber wird im folgenden darauf bestanden, daß es, will man Bachmann mit neueren Gender ‐Theorien in Verbindung bringen, keineswegs ausreicht, wenn ihre Texte die herrschenden Geschlechterverhältnisse kritisch in Frage stellen. Auch wenn Bachmann die Frage der Geschlechtsidentität zunehmend beschäftigt hat: den radikalen Gedankenschritt, der in der Verabschiedung von essentialistischen Begriffen von Geschlechtsidentität besteht, hat die Autorin noch nicht vollzogen. Der folgende Essay versteht sich also als Plädoyer dafür, die Leistungen, aber auch die Grenzen von Bachmanns Texten im Horizont ihrer historischen und gesellschaftlichen Bedingtheit zu sehen – und nicht zuletzt die Macht der Geschlechtermythen ihrer Zeit ernst nehmen.