
Persistierende Virusinfektionen bei Tieren: Mechanismen und Konsequenzen *
Author(s) -
Kaaden OskarRüger,
Dawen Sabine
Publication year - 1983
Publication title -
zentralblatt für veterinärmedizin reihe b
Language(s) - English
Resource type - Journals
eISSN - 1439-0450
pISSN - 0931-2021
DOI - 10.1111/j.1439-0450.1983.tb01809.x
Subject(s) - gynecology , medicine
Zusammenfassung Die Fähigkeit zur Persistenz ist im Sinne der Evolution eine notwendige Voraussetzung für das Fortbestehen und die Weiterentwicklung (Perpetuation) von Viren. Populationsepidemiologische Untersuchungen haben gezeigt, daß Viren in kleinen Wirtspopulationen nur durch Persistenz perpetuieren können. Akute Infektionen hingegen verlangen das Vorhandensein großer Kollektive (Nathanson u. Mitarb., 1980). Unter Berücksichtigung dieser Grundeinsicht ist zu erwarten, daß prinzipiell die Vertreter aller Virusfamilien, wenngleich aufgrund unterschiedlicher Mechanismen, die Fähigkeit zur Persistenz besitzen. Es wurde versucht, die bisher bei persistierenden Infektionen aufgetretenen Mechanismen zu abstrahieren und sie am Beispiel einzelner Erkrankungen zu beschreiben. Dabei mußte teilweise auf die Ergebnisse von in vitro ‐Unter‐suchungen, wie z. B. bei DI‐Partikeln, Selektion von Virusmutanten und Interferon, zurückgegriffen werden. Es ist aber zu erwarten, daß diese Mechanismen auch in vivo eine grundlegende Bedeutung bei der Etablierung persistierender Infektionen haben. Weiterhin ist es als gesichert anzusehen, daß in vivo vielfältige Wechselwirkungen zwischen den beschriebenen Mechanismen bestehen und persistierende Infektionen das Endergebnis dynamischer Interaktionen sind. Bezüglich der Konsequenzen einer persistierenden Infektion hat das Schicksal des Einzeltieres im allgemeinen keine wesentliche epidemiologische Bedeutung. Im Sinne der Definition latenter und persistierender Infektionen gelingt der Virusnachweis lebenslang, obwohl das absolute Lebensalter häfig nicht vermindert ist. Wesentlicher ist die Bedeutung persistierend‐infizierter Tiere als Virusreservoir für ihre Umwelt. Die Literatur weist zahlreiche Beispiele aus, wo von Einzeltieren seuchenartige Erkrankungen an Europäischer und Afrikanischer Schweinepest, Aujeszky'scher Krankheit oder Infektiöser Anämie ausgegangen sind. Die Zielsetzung, Seuchenausbrüche zu verhüten und Krankheitserreger eventuell sogar zu tilgen, erfordert zum einen die sichere Feststellung persistierend‐infizierter Tiere und zum anderen das Verhindern neu auftretender persistierender Infektionen. Die Diagnose latent‐ oder persistierend‐infizierter Tiere wird durch die modernen sensitiven und automatisierbaren Verfahren zur serologischen und virologischen Untersuchung von Probematerialien erleichtert. Insbesondere durch die Einführung des Enzym‐Immun‐Assays (EIA) wurde die Durchführung von Massenuntersuchungen technisch erleichtert. Im Sinne der Verhinderung der Schaffung neuer Virusträger sind konsequente Importkontrollen und Quarantänen, Desinfektions‐ sowie andere veterinärpolizeiliche Maßnahmen, die die Einschleppung und Weiterverbreitung von Krankheitserregern vermeiden sollen, unerläßlich. Andererseits verlangt das gewachsene Wissen um die Tendenz bestimmter Virusarten zur Persistenz, daß der Einsatz von Lebendvakzinen in der Veterinärmedizin auf das notwendige Mindestmaß reduziert bleibt. Insbesondere bei animalen Herpes‐ und Togaviren gebieten die potentiellen Risiken der Schaffung persistierend‐infizierter Tiere eine zurückhaltende Bewertung beim Einsatz von Lebendvakzinen. Summary Persisting virus infection in animals Mechanisms and consequences The ability of viruses to persist in human and animal populations has to be considered as a neccessary condition for their evolution and perpetuation. Epidemiological studies in human populations of different sizes demonstrated that viruses could only perpetuate by persistence in small populations. Acute virus infections and epidemics, however, required the presence of large populations (Nathanson et al., 1980). It has been described that different mechanisms such as A. non‐cytocidal infections, B. integration of the viral genome, C. antigenic alterations and maturation defects, D. modulation of the immune response, E. defective interfering particles and F. interferon can result in persistent virus infections. With regard to these mechanisms and the epidemiological principles it can be anticipated that persistence is a common feature of the members of all virus families. In this review the possible mechanisms which may lead to persistence have been described for some of the important virus diseases of animals. Although the persistence of a virus in animals is a phenomenon distinct from persistence in cell culture, some of the mechanisms only known from studies in cell culture have been considered. It has been suggested that phenomenons observed in cell culture such as defective interfering particles, selection of virus mutants or interferon, may also have some impact for the establishment of persistent virus infections in animals. There are obviously interactions between the different mechanisms described and persistence may therefore be regarded as a dynamic interrelationsship of different factors from the hosts and microorganisms. The impact of virus persistence is greater for the total population than for the individual animal. According to the definition, latency and persistence last life‐long, although the average age of persistently virus‐infected animals in general is not significantly reduced. Latently or persistently infected animals have a great significance as virus reservoirs and sources of epizootic diseases. Numerous outbreaks of European or African swine fever, Aujeszky's disease or equine infectious anaemia have been related to infection by undeteced virus carriers. The goal to prevent outbreaks of epizootic diseases and to eradicate finally the aetiological agents requires the detection of persistently infected virus carriers. The introduction of modern, sensitive and automatic diagnostic techniques such as enzyme‐immuno (EIA) and radio‐immuno (RIA) assays facilitate the large‐scale screening of large animal populations. The establishment of more virus carriers can only be prevented by rigorous controls of imported animals supplemented by quarantine, disinfection and sanitary measures. Finally it is important to note that some viruses, e. g. herpes‐ and togaviruses, have a high tendency for persistence. Therefore, their use as live vaccines under field conditions should be carefully considered to prevent the establishment of more virus carriers. Danksagung Wir danken Frau Tierärztin Clivia Zielonka, Bibliothek der TiHO Hannover sowie Herrn Auber, Zentralinstitut für Versuchstiere Hannover, für die Erstellung einer Literaturrecherche, Herrn Prof. Dr. F. Lehmann‐Grube, Hamburg, für das Überlassen eines Manuskriptes über die Persistenz des LCM‐Virus in Mäusen, sowie unseren Kollegen Dr. Susanne Lange und den Professoren Dr. B. Liess und Volker Moennig für kritische Anregungen.