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Studien zur Kenntnis der Insekten bestimmter Standorte des Bruchberges (Oberharz) 1
Author(s) -
Klein A.
Publication year - 1965
Publication title -
zeitschrift für angewandte entomologie
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.795
H-Index - 60
eISSN - 1439-0418
pISSN - 0044-2240
DOI - 10.1111/j.1439-0418.1965.tb03007.x
Subject(s) - art , forestry , physics , geography
Zusammenfassung Die entomologischen Untersuchungen an Moorstandorten und in Fichtenwäldern am Bruchberg im Oberharz sollten dazu beitragen, unsere Kenntnisse der Insektenwelt des Harzes und ihres ökologischen Verhaltens zu erweitern. Ferner sollte untersucht werden, ob sich aus der Zusammensetzung der Insektenfauna Rückschlüsse auf die Vegetationsgeschichte des Oberharzes ziehen lassen.1 Das Untersuchungsgebiet am Bruchberg gehört in den Höhenlagen von 800 bis 900 m klimatisch in die kühle Gebirgsregion. Die untersuchten Vegetationsformen sind ”vermoorende„ Fichtenwälder, offene Hochmoore und Hangmoore (= Niedermoore). Die Entstehung der Moorfichtenwälder kann zumeist auf das Wiedereinsetzen des Moorwachstums in ehemals entwässerten und aufgeforsteten Mooren zurückgeführt werden und seltener auf eine Versumpfung ursprünglicher Fichtenwälder auf Mineralböden. 2 Die oberen Bodenschichten in allen Vegetationsformen zeichnen sich durch hohe Wasserkapazität, niedrige Luftkapazität, hohen Anteil organischer Substanz am Trockengewicht und hohen Säuregrad aus (ph‐Werte um 3,6). 3 Zur Erfassung der klimatischen Verhältnisse im Untersuchungsgebiet und zur Ermittlung standörtlicher, kleinklimatischer Unterschiede wurden Messungen mit Thermohygrographen, Bodenextremthermometern und Piche‐Evaporimetern vorgenommen. Die durchschnittliche Lufttemperatur des Fichtenwaldes ist höher als die des Hochmoores. Eine Mittelstellung nimmt der Sterbehorst ein. Das Niveau der Bodenextremtemperaturen liegt während der Vegetationsperiode im Hochmoor deutlich höher als im Fichtenwald, sinkt jedoch im Herbst deutlich darunter. Das stärker strahlungsbeeinflußte Standortsklima des Hochmoores zeigt gegenüber dem des Fichtenwaldes einen kühleren, kontinentalen Charakter mit höheren bzw. niedrigeren Extremen und geringerem Durchschnitt der Temperaturen. Im allgemeinen sind die relativen Luftfeuchten im Untersuchungsgebiet an allen Standorten hoch, an einem Sommertag konnten jedoch bemerkenswert hohe Verdunstungswerte in den Kammlagen des Bruchberges gemessen werden. 4 Der Erfassung der Insektenwelt dienten verschiedene Fangmethoden, und es wurden Zuchten, besonders xylophager Insekten, angelegt. Vollständigkeit wurde insbesondere bei der Erfassung der Coleopteren, ferner bei Heteropteren und Homopteren angestrebt, andere Insektenordnungen konnten nur in ihren auffälligsten und wichtigsten Vertretern gestreift werden. 5 Im Untersuchungsgebiet wurden 231 Käferarten aus 39 Familien gefunden. Mit 88 Arten und einigen Unterarten waren die Staphyliniden am stärksten vertreten, es folgen die Carabiden mit 21 Arten. Hinsichtlich der Ernährung überwiegen carnivore Arten ( Stapbylinidae, Carabidae u. a.), Detritus‐ und Mulmfresser. Lebende oder frisch abgestorbene Pflanzenteile fressende Arten ( Chrysomelidae, Curculionidae, Ipidae u. a) sind weniger häufig, übertreffen aber unter günstigen Bedingungen die carnivoren Coleopteren an Individuenzahl bei weitem. 6 In Übersichtslisten wird die Verteilung der Arten auf die Straten bzw. Habitate dargestellt. Die wichtigsten und häufigsten Insekten der Bodenoberfläche, der Vegetation, der Kleingewässer, an Aas, Rotwildlosung und in Baumpilzen werden unter Berücksichtigung ihres ökologischen Verhaltens und ihrer Verbreitung besprochen. 7 Eingehende Beachtung fanden die Insekten abgestorbener Fichten, dazu wurden die verschiedenen Zersetzungsformen und ‐Stadien in enger Anlehnung an die von S chimitschek 1953 und 1954 gegebene Einteilung gegliedert, und die im Holz oder Kambialraum gefundenen Insekten ihnen entsprechend zugeordnet. Im Kambialraum und im Holz abgestorbener Fichten konnten 106 Coleopterenarten festgestellt werden, im Kambialraum 79 Arten, im Holzkörper 57 Arten, darunter 30 Arten, die sowohl unter der Rinde als auch im Holz vorkamen. Nur die wenigsten der Lagerholzbewohner sind Holzfresser, meist handelt es sich um räuberische Arten, Detritusfresser, Mulmfresser oder um mycetophage Insekten. Ein Teil sucht das zerfallende Holz oder den Kambialraum als Versteck oder Überwinterungsort auf. Unter den 12 an Fichte festgestellten Borkenkäferarten treten besonders die stärker sekundären Arten in den Vordergrund. Auffällige Rindentiere sind zwei Tetropiumarten ( Tetropium fuscum F. und castaneum L.) sowie Harpium Inquisitor . Bei den Insekten des Holzes überwiegen mehrere nicht bestimmte Cerambycidenarten, Hylecoetus dermestoides, Xyloterus lineatus, Paururus juvencus, Eremotes ater und in einem späteren Zersetzungsstadium Elater aethiops . Gegenüber den räuberischen Insekten kommt den Parasiten der xylophagen Insekten nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Entsprechend den verschiedenen Zersetzungsstadien können Holz‐ und Kambialinsekten in Befallsfolgen aufgeteilt werden, die sich jeweils meist durch eine oder mehrere charakteristische Arten oder Artenkombinationen auszeichnen. 8 Zur Lebensweise und zum ökologischen Verhalten von Eremotes ater L. konnten einige neue Angaben gemacht werden. Bei frischgeschlüpften Imagines der Holzwespe Paururus juvencus L. wurde eine meines Wissens noch nicht bekannte Viruserkrankung (wahrscheinlich Mitteldarmpolyedrose ) festgestellt, die eine hohe Sterblichkeit der noch im Holz befindlichen Imagines bewirkte. 9 Zahlreiche Arten zeigen montanen Charakter, mehrere können als Eiszeitrelikte angesehen werden (z. B. Agonum ericeti, Hydroporus melanocephalus ) und 13 Coleopterenarten, 1 Heteropterenart und 2 Lepidopterenarten haben boreomontanen Verbreitungscharakter , sind also Relikte der Eiszeit, die sich in Mittel‐ und Südeuropa nur in höheren Gebirgen erhalten haben. 10 Hydroporus longicornis Shp. wurde zum erstenmal als endemisch in Deutschland nachgewiesen. (Ein Exemplar mit zweifelhafter Fundortangabe bisher aus Deutschland bekannt.) Sein Vorkommen in Mitteleuropa war bisher überhaupt zweifelhaft. Entsprechend der geographischen Verbreitung und dem ökologischen Verhalten sehe ich diesen Käfer als extrem boreomontan an. 11 Das Vorkommen zahlreicher Eiszeitrelikte , darunter mehrere boreomontane Arten mit eng begrenzten ökologischen Ansprüchen, kann mit als Beweis dafür angesehen werden, daß sich im Oberharz seit der Eiszeit Moore erhalten haben, und daß die im Untersuchungsgebiet standörtlichen Vegetationsformen niemals durch menschliche Beeinflussung oder Naturkatastrophen völlig vernichtet wurden.