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Zur Biologie, Ökologie und zum Massenwechsel des Buchenpracht‐Käfers ( Agrilus viridis L.): II. Teil.
Author(s) -
Heering Hellmut
Publication year - 2009
Publication title -
zeitschrift für angewandte entomologie
Language(s) - English
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.795
H-Index - 60
eISSN - 1439-0418
pISSN - 0044-2240
DOI - 10.1111/j.1439-0418.1956.tb01244.x
Subject(s) - gynecology , philosophy , medicine
Zusammenfassung1 Die Merkmale des frischen und des abgewehrten Befalls durch Agrilus viridis L. werden nach äußerer Erscheinung und nach Fraßbildern in der Rinde besprochen, ‐ ebenso die Morphologie des Käfers und seiner Entwicklungsstufen. Das Eigelege besitzt einen besonderen Schutzmantel, dem für die Abwehr letaler Sonnen‐Einstrahlung und gegen Austrocknung Bedeutung zukommt. 2 Das Gesamt‐Verbreitungsgebiet wird an Hand von Literatur‐Angaben kartenmäßig dargestellt. Dazu gehört in der Hauptsache Mitteleuropa und Rußland. 3 Massenvermehrungen sind im gesamten Verbreitungsgebiet bei entsprechender Disposition der Brutpflanze möglich. Ist diese durch natürliche Einwirkungen oder künstliche Eingriffe geschaffen, so tritt Agrilus viridis L. besonders nach Trocken‐ und Wärmeperioden unter Umständen in Massen und dann schädlich auf. 4 Eine natürliche Begrenzung des Massenwechsels findet durch relativ hohe Durchschnitts‐Niederschläge statt. In Höhenlagen über 800–900 m ü.d.M., die für Bayern gewöhnlich über 900 mm Jahresniederschläge aufweisen, kann Viridis noch auftreten, ohne jedoch hier zu Massenvermehrungen gelangen zu können. 5 Der bayerische Teil des Verbreitungsgebietes und seine Massen‐wechselgebiete werden an Hand von Klimatogrammen nach Klima und Witterung (Temperatur und Niederschlag) wie auch nach Standort‐Verhältnissen gekennzeichnet. Die anomale Witterung der letzten Jahre wird ‐ in Verbindung mit Bodenbeschaffenheit, Lage und teilweise auch menschlicher Einwirkung ‐ als entscheidende Ursache für die Disposition der Wirtspflanzen von Agrilus viridis L. erkannt und als Auslöser der letzten Gradationen verantwortlich gemacht. Die physiologische Trockenheit über durchlässigen Böden in an sich regenreichen Gebieten begünstigt auf dem Wege über den Brutbaum das Massenauftreten von Viridis.6 Die nach dem Schrifttum und eigenen Erfahrungen in Betracht kommenden Brutpflanzen sind zusammengestellt. Haupt‐Brutbaum ist die Rotbuche, deren ökologische Ansprüche kurz beschrieben werden. Das Bestehen einiger Rassen von Arilus viridis L., die auf verschiedenen Brutpflanzen leben, ist wahrscheinlich. Die an Rotbuche lebende „Form” ließ sich nicht auf andere Pflanzenarten übertragen. 7 Der Einfluß der Temperaturen auf die Ei‐, „Vorpuppen”‐ und Puppen‐Entwicklung wurde im Freiland unter den natürlichen Verhältnissen und in Thermostatenzuchten verfolgt. Die zusammengestellten Entwicklungszeiten wurden nach der B lunck schen Temperatursummen‐Regel ausgewertet. Für das Freiland, mit den wechselnden Temperaturen, ‐ ergab sich für die „Vorpuppe” ein unterer Temperatur‐Schwellenwert der Entwicklung von + 7,8° C, ‐ für konstante Temperaturen in Thermostatenzuchten lag er bei + 14° C. Es wird nachzuweisen versucht, daß die wechselnden Freiland‐Temperaturen einen entwicklungsbeschleunigenden Einfluß ausüben. 8 Die Larven werden nach Form und Verhalten dargestellt. Die Anlage der Puppenwiege durch sie wird beschrieben. 9 Die Phänologie des Käfers und seiner Entwicklungsstufen wurde durch eingehende Freiland‐Beobachtungen geklärt. Hauptflugzeit ist Juli–August. Die Reifezeit des Käfers vom Schlüpfen bis zur Ei‐Ablage währte im Freiland durchschnittlich 14 Tage. 10 Lebensablauf und Verhalten der Käfer werden analysiert und die Disposition der Brutpflanze für die Ei‐Ablage erörtert. Vom Käfer wird normalerweise ‐ wie experimentell nachgewiesen werden konnte ‐ nur „krankes”, das heißt: in seinem Wasserhaushalt bzw. Stoffwechsel gestörtes Rindengewebe zur Eiablage benutzt. 11 Für die Gesamtentwicklung unter Freiland‐Bedingungen ergab sich in der Mehrzahl der überprüften Fälle ein einjähriger Generations‐Zyklus. Die Phänologie aller Entwicklungsstufen ‐ nebst Messungen über Larvenwachstum und Fraßganglängen im Ablauf einer Generation ‐ wird unter Berücksichtigung der wirkenden Freiland‐Temperaturen dargestellt. 12 Zwischen den Agrilus ‐Larven und ihrem Wirt besteht ein scharfer Existenzkampf. Massenbefall ist für schwache Pflanzen tötlich. Kräftige Pflanzen wehren ihn durch Saftfluß und Wundkallus‐Bildung erfolgreich ab. Für Altbuchen ist diese Abwehr unter normalen Witterungsverhältnissen fast stets erfolgreich. Bei ihnen können bis zu 100% der sich einbohrenden Viridis ‐Larven abgetötet werden. Lediglich in sonnenbrandigen Rindenpartien bleibt der Baum bruttauglich und kann hier den Käfer‐Befall nicht verhindern. 13 Die Larven können sich bis zu einem gewissen Grade durch die Anlage von Baumsaft‐Abflußkanälen („Nischenfraß”), „Zick‐Zack”‐ und Spiral‐(Riegel)‐Fraßgängen vor der Abwehrreaktion der Wirtspflanze schützen. Die optimalen Feuchtegehalte des Substrates wurden für die verschiedenen Entwicklungsstufen ermittelt. 14 Unter den weiteren die Vermehrung von Agrilus viridis L. begrenzenden biotischen Faktoren spielen: Raub‐Insekten, Vögel, Schnecken und einige Ento‐Parasiten eine gewisse Rolle ‐ ohne jedoch den Gang des Massenwechsels von Viridis entscheidend beeinflussen zu können. Es wurden zwei neue Wespenarten (Chalcididae) als Ento‐Parasiten festgestellt. 15 Im Klein‐Klima der Buchenrinde ‐ das als maßgebender Faktor bei der Viridis ‐Entwicklung für einen vollen Jahreszyklus ermittelt wurde ‐ kommt die entwicklungsfördernde Bedeutung der Süd‐Lagen deutlich zum Ausdruck. 16 Auf Grund über einjähriger Freiland‐Beobachtungen und Auszählungen wird die Gesamt‐Mortalität von Eiern, Larven und Puppen sowie der Käfer von Agrilus viridis L. dargestellt. 17 Zur Prognose: Für den Massenwechsel von Viridis in den bayerischen Untersuchungsgebieten ergab die Zeit ab Herbst 1952 ‐ mit dem plötzlichen Einsetzen übernormaler Niederschläge (nach lang‐anhaltender Trockenheit), durch die die Abwehrkräfte der Brutpflanzen wieder erheblich zunahmen ‐ eine deutlich rückläufige Bewegung der Viridis ‐Population. 18 Zur Bekämpfung: Bei den durchgeführten Versuchen mit chemischen Pflanzenschutzmitteln hat sich ein Phosphorsäure‐Ester‐Präparat (der Bayer‐Werke) als wirksames Innertherapeutikum erwiesen. Die Abwehr der Ei‐Ablage bzw. des Einbohrens der Junglarven durch vorbeugende Rinden‐Begiftung mit DDT‐Brühen blieb erfolglos. Das für die Praxis der Viridis ‐Bekämpfung in befallenen Heisterpflanzungen geeignetste (und auch wirtschaftlichste) Verfahren bleibt das schon im älteren Schrifttum erwähnte „Auf‐Stock‐Setzen” der Jungpflanzen.Summary1) The characteristics of fresh and healed attacks by Agrilus viridis L. are discussed as regards external appearance and the galleries in the bark, the morphology of the beetle and its developmental stages is also dealt with. The eggs have a special protective case which is important as a defence against lethal solar radiation and against drying out. 2) The whole area of distribution as recorded in the literature is shown on a map. This is mainly central Europe and Russia. 3) Outbreaks are possible over the whole area of distribution if the condition of the host trees is suitable. Whether this condition is produced naturally or artificially, Agrilus viridis occasionally appears in large numbers, particularly after dry and warm periods, and is injurious. 4) A natural limiting of outbreaks occurs with relatively high average rainfall. Viridis can still occur in upland areas over 800–900 m. above sea level which, in Bavaria, generally have an annual rainfall of more than 900 mm. without, however, being able to produce outbreaks. 5) The Bavarian portion of the area of distribution and its outbreak area are defined on the basis of climatograms of temperature and rainfall and also by habitat conditions. The anomalous weather of recent years, together with the nature of the soil, situation and, in part, the effect of humans, is recognized as a decisive reason for the condition of the host trees of A. viridis and held responsible for the last outbreaks. The physiological dryness of permeable soil in intrinsically rainy areas favours outbreaks of virids by way of the host tree. 6) The host trees are listed according to the literature and personal experience. The main host is the red beech, the ecological requirements of which are briefly described. The existence of several races of A. viridis living on different host trees, is probable. The ‘form’ living on red beech cannot be transferred to other trees. 7) The influence of temperature on egg, ‘prepupal’ and pupal stages was followed up under natural conditions outdoors and by controlled temperature rearing. The development times given were evaluated according to Blunck's rule of temperature sums. Outdoors, with variable temperature, a lower temperature threshold value of + 7.8° C was obtained for the ‘prepupa’, with constant temperature in controlled rearing, this was + 14° C. It is attempted to show that the variable outdoor temperature exerts an accelerating effect on development. 8) The form and behaviour of the larvae and the construction of the pupal cell are described. 9) The phenology of the beetle and its developmental stages was found out by thorough outdoor observations. The main flight period is July–August. The maturing time of the adults from emergence to oviposition is, outdoors, on the average, 14 days. 10) The duration of life and behaviour of the adults are analysed and the condition of the host tree for oviposition discussed. Normally, as could be proved experimentally, only ‘ailing’ ‐ i. e. with disturbed water economy or metabolism ‐ bark tissue is used by the beetle for egg laying. 11) Under outdoor conditions, there was a one year generation cycle in the majority of cases studied. The phenology of all developmental stages, in addition to measurements of larval growth and the length of the feeding galleries in the course of a generation, is shown with regard to the prevailing outdoor temperatures. 12) There is a rigorous struggle for existence between the Agrilus larvae and their host trees. A severe attack is fatal for weak trees. Strong trees overcome is successfully by sap flow and wound callus formation. With old beeches, this defence is nearly always successful under normal weather conditions. Up to 100% of the viridis larvae boring into them can be killed by these. The tree only remains fit for breeding in portions of bark burned by the sun and it cannot here upset the beetle attack. 13) The larvae can, to a certain extent, protect themselves from the defensive reaction of the host tree by constructing sap discharge channels (“Nischenfraß”), ‘zig‐zag’ and spiral (annular) feeding galleries. The optimum moisture content of the substrate for the various developmental stages were ascertained. 14) Among the biotic factors which restrict the increase of A. viridis, predatory insects, birds, snails and some endoparasites play a certain part without, however, being able to decisively influence the progress of outbreaks. Two new species of Hymenoptera (Chalcididae) were established as endoparasites. 15) In the micro‐climate of beech bark, which was found to be the decisive factor in viridis development for a complete yearly cycle, the development‐favouring significance of the south position is of great importance. 16) On the basis of one year outdoor observations and counting, the total mortality of eggs, larvae and pupae, as well as adults, of A. viridis is shown. 17) For prognosis: In the viridis outbreak in the area studied in Bavaria, the period from autumn 1952, with the sudden onset of abnormally high rainfall, after a prolonged drought, because of which the defensive strength of the host trees was considerably increased again, showed a marked decrease in the viridis population. 18) For control: In the tests carried out with chemical plant protection materials, a phosphoric acid ester preparation (from Bayer) proved to be an effective systemic. Protection from egg laying or penetration by young larvae by precautionary bark treatment with DDT was unsuccessful. In practice, the most suitable (and also the most economical) method for viridis control in attacked plantations of young trees is that mentioned in the older literature of ‘stock grafting’ of young trees.