Premium
Zum Meidenlernen ungenießbarer Beute bei Vögeln: Der Einfluß der Faktoren Umlernen, neue Alternativbeute und Ähnlichkeit der Alternativbeute 1
Author(s) -
Schuler Werner
Publication year - 1980
Publication title -
zeitschrift für tierpsychologie
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.739
H-Index - 74
eISSN - 1439-0310
pISSN - 0044-3573
DOI - 10.1111/j.1439-0310.1980.tb01067.x
Subject(s) - sturnus , biology , humanities , psychology , art , zoology
The process of learning to avoid an unpalatable insect was investigated in 35 caged starlings ( Sturnus vulgaris ). Following a 2 × 2 × 2 design three factors were examined: relearning—an insect palatable at first is later on made unpalatable, new alternative prey, and similarity of appearance of alternative prey. The learning process was delayed by each of them, whereby the effect of the third factor was much stronger than those of the first and second ones. The effects are combined by multiplication rather than by arithmetic summation. Under difficult learning conditions some birds ceased to operate the insect feeder used. From a comparison of experimental and field conditions it is concluded that in the field birds learn to avoid unpalatable insects rather quickly. The significance of the results for Batesian mimicry is discussed. Zusammenfassung1 In Käfigversuchen wurde geprüft, wie Stare ( Sturnus vulgaris ) unter verschiedenen Bedingungen ein vergälltes Insekt meiden lernen. Dabei wurde der Einfluß folgender Faktoren auf den Lernvorgang untersucht: a) Umlernen: ein vorher unvergälltes Insekt ist im Lernversuch vergällt; b) neue Alternativbeute: das neben dem vergällten gebotene Insekt ist für den Vogel neu; c) Ähnlichkeit der Alternativbeute: das vergällte und das unvergällte Insekt des Lernversuchs sind einander ähnlich. Aus den drei Faktoren, die jeweils entweder wirksam oder nicht wirksam waren, ergaben sich durch Kombination 8 verschiedene Versuchsbedingungen (Versuchsplan drei Faktoren in zwei Stufen), die an je einer Gruppe von 4 oder 5, insgesamt an 35 Staren getestet wurden. Alle Vt erhielten dasselbe vergällte Insekt; die einzelnen Gruppen unterschieden sich nur durch die Alternativbeute im Lernversuch und/oder die vor dem Lernversuch gebotenen Insekten. 2 War keiner der Faktoren wirksam, so lernten die Vt sehr rasch, das vergällte Insekt abzulehnen, d. h. schon nach einer Sitzung in mehr als 90% der Fälle. Demgegenüber verzögerte der Faktor Umlernen den Lernvorgang und verursachte ein etwas niedrigeres Meideniveau (6.—10. Sitzung: 83%). Der Faktor neue Alternativbeute bewirkte zwar, daß die Vt in der 1. Sitzung schon 43% der vergällten Insekten mieden, führte aber zu einem noch niedrigeren Meideniveau (72%). Die Kombination beider Faktoren hatte wohl eine weitere Verzögerung des Lernvorgangs, aber keine weitere Absenkung des Meideniveaus (73%) zur Folge. Bei dem Faktor Ähnlichkeit der Alternativbeute mieden die Vt erst spät, d. h. nach sechs Sitzungen, durchschnittlich mehr als 50% der vergällten Beute. Kam zu diesem Faktor noch Umlernen hinzu, so wurde die 50%‐Marke erst nach sieben Sitzungen überschritten. Waren die Faktoren Ähnlichkeit und neue Alternativbeute kombiniert, so hatten die Vt Schwierigkeiten mit der gestellten Aufgabe: Alle lehnten nach anfänglichem Probieren nicht nur den vergällten, sondern auch den unvergällten Insektentyp ab. Nur zwei lernten später, den unvergällten zu fressen, die übrigen drei verloren das Interesse am verwendeten Insektengeber. Noch größere Schwierigkeiten ergaben sich für die Vt, als alle drei Faktoren gleichzeitig wirksam waren: Sie mieden lange Zeit das unvergällte Insekt häufiger als das vergällte, offensichtlich weil sie aufgrund ihrer Vorerfahrung die Vergällung dem falschen Insektentyp zuordneten. Auch hier lernten nur zwei der Vt, das unvergällte Insekt zu fressen. 3 Eine formale Auswertung der Werte für die Lerndauer ergibt, daß die Wirkungen der drei Faktoren sich nicht rein additiv verhalten, sondern daß entweder zur additiven Wirkung eine Wechselwirkung zwischen den Faktoren neue Alternativbeute und Ähnlichkeit hinzukommt oder daß sie sich multiplikativ verhalten, wobei die multiplikative Gleichung die Versuchsdaten am besten wiedergibt. Die quantitativen Aussagen werden dadurch eingeschränkt, daß Generalisation das Verhalten der Vt beeinflußte und daß einige auf schwierige Lernbedingungen nicht mit einer quantitativen Antwort (verlängerter Lerndauer), sondern qualitativ, d. h. mit der Weigerung, den Insektengeber weiter zu bedienen, reagierten. 4 Aus dem Lernverhalten der Vt und einem Vergleich der Versuchs‐ mit Freilandbedingungen ergibt sich der Schluß, daß Vögel im Freiland ungenießbare Insekten rasch meiden lernen, da die Lernbedingungen hier meist günstig sind und da Vögel dazu neigen, sich bei evtl. doch auftretenden schwierigen Lernbedingungen an problemloser erreichbare Beute zu halten. Dies wird sicher durch das vielfältigere Beuteangebot und die räumliche Verteilung der Beutetiere im Freiland erleichtert. Die Bedeutung der Befunde für das Verständnis Batesscher Mimikry wird diskutiert.