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“Zähl”‐Versuche mit Kolkraben anhand der Methodik der Musterwahl — ein Beitrag zum Verständnis von Problem‐Lösungs‐Verhalten bei höheren Tieren
Author(s) -
Simons Dietrich
Publication year - 1976
Publication title -
zeitschrift für tierpsychologie
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.739
H-Index - 74
eISSN - 1439-0310
pISSN - 0044-3573
DOI - 10.1111/j.1439-0310.1976.tb00468.x
Subject(s) - humanities , art , gynecology , philosophy , psychology , medicine
The research goal is divided into two parts: 1. Detailed analysis of behavior in selection in a 6‐choice matching‐from‐sample task. 2. Discussion of all observed preferences on the basis of the models of Sutherland and Mackintosh and of Miller, Galanter and Pribram. The experiments were run with 4 one‐year‐old ravens ( Corvus corax ); two of them were probably ♀♀. The design is similar to Koehler's. In the task the correct responses were equally distributed between all stimuli and positions (random system). Although the task (“counting”) was learned, a lot of relevant preferences for stimuli, positions, patterns etc. show that problem‐solving in higher animals can be very complex. It could be shown that only a detailed analysis may clarify animal learning processes. Zusammenfassung Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit Problem‐Lösungs‐Prozessen bei Kolkraben ( Corvus corax ). Lernziel war das Erlernen einer Sechsfach‐Musterwahl, bei der das Tier lernen soll, von sechs zur Wahl stehenden Näpfen denjenigen zu öffnen, auf dessen Deckel ebenso viele “Punkte” dargestellt sind wie auf einem vorgegebenen Muster. Die Anzahlen ‘eins’ bis ‘sechs’ waren in insgesamt 44 Variationen vertreten. Die Versuchsanordnung entsprach im Prinzip der Koehlers und seiner Mitarbeiter. Der Kern der Methodik bestand in der zufallsartigen Verteilung der zu wählenden Anzahlen bzw. der Anzahlen pro Position, um differentielle Verstärkung zu vermeiden. Darüber hinaus galt: Korrekturmöglichkeiten nach einer Falschwahl, keine Beköderung des Musters, kein Scheuchen, Magnetverschluß an “Negativ‐Näpfen” sowie zeitliche Begrenzung der Versuche. Während der Versuche wurde keine Änderung in der Methodik vorgenommen. Im Verlauf einer halbjährigen Versuchsdauer absolvierten die vier Kolkraben insgesamt nur 1104 Versuche, und zwar etwa fünf Versuche pro Tag! Die Analyse der Ergebnisse ergab folgende “Präferenzen” (in der Reihenfolge der Häufigkeit ihres Auftretens): Positions‐Präferenzen, die zudem im Verlauf des Lernprozesses wechseln können; Punktmengen‐Präferenzen, ebenfalls wechselnd; Präferenzen für Position oder Punktmengen, die zuvor ‘positiv’ waren; auch “Aversion” gegenüber einer zuvor ‘positiven’ Punktmenge wurde beobachtet; Präferenzen für bestimmte Punktmengen, die einen figural prägnanten Charakter aufweisen; ferner traten unterschiedliche Reaktionszeiten bei ‘positiven’ und ‘negativen’ Wahlen auf, und es konnte gezeigt werden, daß sich zwei gleichzeitig auftretende Präferenzen in der Wirkung summierten. Wahl nach Muster erfolgte bei einem Raben relativ allgemein, bei den übrigen drei selektiv, geschieht also in der Regel unabhängig von der Wahl nach irgendwelchen Präferenzen. Die Diskussion des Problem‐Lösungs‐Prozesses erfolgt auf der Basis des “Analysator‐Modells” von Sutherland und Mackintosh (1971) sowie des “TOTE‐Modells” von Miller, Galanter und Pribram (1960). Nach den vorliegenden Ergebnissen wird ausgeschlossen, daß während der Versuche zumindest für längere Zeit zufallsartiges Handeln auftrat. Es wird angenommen, daß dem Problem‐Lösungsverhalten “Hypothesen” zugrundeliegen können. Eine Operationalisierung “averbaler Hypothesenbildung” wird vorgeschlagen.