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Die historische Entwicklung der Begriffe „Angeborenes auslösendes Schema” und „Angeborener Auslösemechanismus” in der Ethologie
Author(s) -
Schleidt Wolfgang
Publication year - 2010
Publication title -
zeitschrift für tierpsychologie
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.739
H-Index - 74
eISSN - 1439-0310
pISSN - 0044-3573
DOI - 10.1111/j.1439-0310.1962.tb00800.x
Subject(s) - humanities , philosophy
Zusammenfassung Aufgabe der vorliegenden Abhandlung ist es:1 einen Überblick über die historische Entwicklung der Begriffe Angeborenes auslösendes Schema (L orenz 1935) und Angeborener auslösender Mechanismus (T inbergen 1948) zu geben 2 die bisherigen Definitionen des AAM zu prüfen, inwieweit sie den heutigen Anforderungen entsprechen und 3 neue Definitionen für den AAM und verwandte Auslösemechanismen aufzustellen, die den gegenwärtigen Bedürfnissen besser entsprechen.Der Vergleich der Definitionen von v. U exküll , L orenz und T inbergen zeigt, daß mit dem Übergang vom Angeborenen auslösenden Schema zum Angeborenen Auslösemechanismus ein Bedeutungswandel einherging. Das Schema war ursprünglich als vereinfachtes Abbild des “Auslösers” (L orenz 1935) bzw. der korrespondierenden Schlüsselreize gedacht, während der AAM allgemeiner definiert ist als Instanz, die eine Verknüpfung zwischen einem bestimmten Reiz und einer bestimmten Reaktion bewerkstelligt. Die zuletzt von T inbergen 1951 gegebene Definition des AAM läßt zwei I'ragen offen, die in den letzten Jahren zu Kritik am AAM‐Konzept geführt haben: a) Ist die Selektivität des AAM wirklich nur durch neurale Strukturen bedingt? b) Was meint das Attribut “angeboren” beim AAM? Zur Beantwortung der ersten Frage müssen wir neben ethologischen auch histologische und physiologische Methoden mit heranziehen. Es bestätigt sich die Vermutung von L orenz (1943), daß in manchen Fällen die Filterwirkung eines Sinnesorganes ausreicht, um eine selektive Empfindlichkeit für bestimmte Reize zu erklären, in anderen Fällen wirken Filterwirkungen von Sinnesorganen und nachgeschalteter neuraler Strukturen zusammen. Daher ist es notwendig, die Sinnesorgane grundsätzlich in den AAM mit einzubeziehen. — Die Antwort auf die zweite Frage ist: Angeboren heißt hier, daß eine Information über bestimmte physikalische oder chemische Gegebenheiten der Umgebung im Verlauf der Stammesgeschichte im Genom der Art gespeichert worden ist, und eine gleichlautende Information beim einzelnen, nachgewiesenermaßen unerfahrenen Individuum eine bestimmte Reaktion auslöst. Ist bei einem erfahrenen Tier ein Auslösemechanismus besonders selektiv, so wird dies häufig, aber zu Unrecht als Hinweis für einen AAM gewertet. Immer dann, wenn nur ein ganz bestimmtes Objekt eine Reaktion auszulösen vermag, müssen wir damit rechnen, daß die persönliche Erfahrung des Individuums wesentlich zur Selektivität des Filters beigetragen hat. Ist bei einem erfahrenen Tier eine Reaktion durch einfache Attrappen auslösbar, so spricht dies eher für einen AAM (L orenz 1954), wirklich beweisend ist aber nur das “Experiment mit Erfahrungsentzug”. Die Filterwirkung der AAMs wird im Verlauf der Ontogenese sehr häufig durch Hinzulernen weiterer Merkmale oder durch Gewöhnung an wiederholte Reize weiter verstärkt. Ich schlage vor, vom AAM den “durch Erfahrung modifizierten AAM” (EAAM) begrifflich abzutrennen. Auslösemechanismen, bei denen das ursprünglich vorhanden gewesene Gerüst des AAM nicht mehr nachweisbar ist oder die ohne Mitwirkung eines AAM zustande gekommen sind, können als “Erworbene Auslösemechanismen” (EAM) davon unterschieden werden. Fehlen experimentelle Befunde oder soll offen bleiben, ob eine Verknüpfung zwischen Reiz und Reaktion durch phylogenetische oder ontogenetische Anpassung an Gegebenheiten der Umgebung entstanden ist, so soll der Ausdruck “Auslösemechanismus” (AM) ohne nähere Bezeichnung verwendet werden. Bei Wirbeltieren ist im erwachsenen Zustand der EAAM die Regel. AAMs sind meist nur in frühen ontogenetischen Stadien nachzuweisen.