Premium
6. H. Scholz: Die Systematik des europäischen Polygonum aviculare L.
Publication year - 1959
Publication title -
berichte der deutschen botanischen gesellschaft
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.871
H-Index - 87
eISSN - 1438-8677
pISSN - 0365-9631
DOI - 10.1111/j.1438-8677.1959.tb01413.x
Subject(s) - polygonum , humanities , philosophy , art , traditional medicine , medicine
Zusammenfassung Polygonum aviculare wurde in den Jahren 1957 und 1958 im größeren Umfange kultiviert. Dabei konnte annähernd der gesamte Formenbestand Europas berücksichtigt werden. Die von L indman (1912) gegebene Zweiteilung des Polygonum aviculare in P. heterophyllum und P. aequale konnte durch die neuen Untersuchungen als grundsätzlich berechtigt übernommen werden. Die Beachtung des Verhältnisses vom verwachsenen Teil zum freiblätterigen Teil des Perigons und der Gestalt der Frucht ermöglicht eine sichere Beurteilung beliebiger aviculare ‐Individuen und deren Zuteilung zu einer der beiden Hauptgruppen. Ein weiteres unterscheidendes Merkmal der zwei Arten L indmans liegt in der unterschiedlichen Umrißform von Epidermiszellen der Testa. Bei L indman steht die Zweiteilung des Polygonum aviculare allzu sehr im Vordergrund der systematischen Bemühungen, als wenn es ihm nur auf eine Zuweisung einiger “Formen” des P. aviculare zu P. heterophyllum und P. aequale angekommen wäre. Die Differenzen zwischen den Sippen innerhalb seiner beiden Arten wurden von ihm nicht genügend scharf gesehen. Die Arten LINDMANs wurden deshalb in den Rang von Series erhoben: Aviculariformes Komarov emend. mit Arten, die ein zur Hälfte bis Zweidrittel geteiltes Perigon besitzen, zudem flache, dreiseitige Früchte mit zwei größeren, konvex geformten Seitenflächen und schwach wellig umgrenzte Epidermiszellen der Testa — und Heterophylla nov. prov. series mit Arten von Dreiviertel geteiltem Perigon, weniger flachen dreiseitigen Früchten, deren Seitenflächen geradwandig oder konkav gewölbt sind, und tief wellig geformten Epidermiszellen der Testa. Der Name “ Polygonum aviculare” läßt sich nicht eindeutig auf eine bestimmte Sippe beziehen und wurde als nomen ambiguum betrachtet. Die weitere Untergliederung der Series Aviculariformes und Heterophylla wurde in erster Linie nach der Gestalt der Früchte vorgenommen. Diese schon von L indman angebahnten Unterscheidungen wurden weiter ausgebaut und verfeinert unter Zuhilfenahme von Erkenntnissen C hrteks (1956) und A schersons U. G raebners (1913). Herbarmaterial der letztgenannten Autoren ist durch Kriegseinwirkungen allerdings vollständig verlorengegangen. Vergleichende Kulturversuche zeigten, daß auch vegetative Merkmale zur Unterscheidung der Sippen nicht gänzlich ohne Belang sind. Zwar erwiesen sich frühere Einteilungsversuche vorwiegend nach der Blattgestalt als völlig verfehlt, aber nur deswegen, weil die außerordentliche Plastizität der aviculare ‐Individuen nicht genügend erkannt wurde. Jede Species und Subspecies des Polygonum aviculare hat unter ausgewogenen Umweltbedingungen ihren ausgezeichneten Habitus. Unter abweichenden natürlichen und künstlich geschaffenen Bedingungen, wie Trockenheit und reichlicher Feuchtigkeit, werden jedoch Wuchsformen und Gestalten erreicht, die die verschiedenen Sippen unter Umständen weitgehend habituell gleichartig erscheinen lassen. Nicht nur die Wuchsmächtigkeit einzelner Individuen bestimmter Sippen, sondern auch deren Blattgröße, und im gewissen Sinne auch deren Blattgestalt, sind im hohen Grade veränderlich. Die verwirklichten Abänderungsmöglichkeiten vegetativer Organe oder Organteile des Polygonum aviculare überschneiden sich also in weiten Bereichen (s. Tabelle 2 und L ind ‐M an 1912, p. 693). Die Strukturen der Blüte und der Frucht sind nicht im entfernt gleichen Umfange formenden Umwelteinflüssen zugänglich. Erbliche Variationen, die als Ergebnis von Bastardierungen gewertet wurden, bestimmen in einzelnen Sippen ( Polygonum aequale, P. calcatum) zusätzlich Gestalt und Aussehen einzelner Pflanzen und Populationen. Innerhalb des Polygonum aviculare finden sich neben aufrecht wachsenden Formen, die nicht selten niedergestreckt wachsen, erblich niederliegende Formen. Bei eingehender Beachtung der Fruchtgestalten des Polygonum aviculare kann eine deutliche Beziehung zur Blattgestalt nicht verborgen bleiben. Arten mit breiten Blättern haben entsprechend der Homologie zwischen Laub‐ und Fruchtblatt auch breite Früchte (z. B. Polygonum monspeliense, P. aequale) , Arten dagegen mit schmalen Blättern schmälere Früchte (z. B. P. calcatum, P. rectum, P. neglectum) . Die Ausmaße der Frucht bzw. des Samens “bestimmen” die Größe und die Breite der Keimblätter und von dort im Gange der weiteren Entwicklung des heranwachsenden Individuums seine vegetative Mächtigkeit, die Abmessungen der Folgeblätter und der neu zu bildenden Frucht. Diese Beziehung zwischen Laubblatt, Wuchsgröße und Frucht erlaubt bei alleiniger Kenntnis der Frucht die ungefähre Blattgestalt und Größe des zugehörigen ausgewachsenen Individuums vorauszusagen. Im Verlauf der Evolution innerhalb der Series Aviculariformes und Heterophylla waren Proportionverschiebungen vegetativer und damit generativer Organe von allergrößter Bedeutung. Weitere wichtige diagnostische Kennzeichen einzelner aviculare‐Sippen sind in der Oberflächenbeschaffenheit der Früchte zu suchen. Neben Arten mit stumpf, streifigwarzigen Früchten finden sich in Europa Arten mit glatten, glänzenden Früchten (Polygonum calcatum, P. rurivagum) . Anschließend seien die im Text behandelten Sippen des Polygonum aviculare übersichtlich zusammengestellt (vgl. S cholz 1958):Aviculariformes Komarov emend. Polygonum calcatum Lindman Polygonum aequale Lindman subspec. aequale subspec. oedocarpum Lindman.Heterophylla nov. prov. ser. Polygonum neglectum Besser emend. Polygonum monspeliense Thiébaud subspec. monspeliense subspec. eximium (Lindman) subspec. littorale (Gross) Polygonum rectum (Chrtek) subspec. rectum subspec. virgatum (Ascherson et Graebner) Polygonum rurivagum Jordan Polygonum boreale (Lange) Small.