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8. Rudolf Weise: Betrachtungen Über die Bedeutung des Thallusmantels und der Flechtensäuren für den Artbegriff in der Gattung Cladonia
Publication year - 1937
Publication title -
berichte der deutschen botanischen gesellschaft
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.871
H-Index - 87
eISSN - 1438-8677
pISSN - 0365-9631
DOI - 10.1111/j.1438-8677.1937.tb01225.x
Subject(s) - humanities , art , philosophy
D. Zusammenfassende Schlußfolgerungen I. Cladonien Systematik: Meine früheren Kulturversuche haben bewiesen, daß der Zentralzylinder der Cladonia Podetien den Stiel eines Pilzfruchtkörpers darstellt und daß nachträglich auf diesem Pilzgewebe Algen angesiedelt werden. Die Gattung Cladonia entspricht damit der ihr verwandten Gattung Baeomyces, bei der ebenfalls auf den Fruchtkörperstiel nachträglich Algen angesiedelt werden können. Bei Baeomyces wird dieser Algenbesatz als systematisches Merkmal benutzt; er ist aber, wie TOBLBR (1928) zeigt, nur bedingt verwendbar. Auch bei den Oladonien dient dieser Algenüberzug als systematisches Merkmal; ihm wird jedoch für die Systematik dieser Gattung eine größere Bedeutung zugeschrieben als bei Baeomyces, da bei den Oladonien die ernährungsphysiologischen Beziehungen zwischen diesem Thallusmantel und dem Zentralzylinder im Laufe der phylogenetischen Entwicklung so innig geworden sind, daß gewisse Flechten ganz auf die Ernährung durch einen Mutterthallus verzichten können und nur noch als Pilzfruchtkörperstiel bestehen, wie z. B. die Flechten der Untergattung Cladina. Die vorliegenden Untersuchungen haben nun gezeigt, daß dieses für die Systematik der Gattung Cladonia so wichtige Merkmal der Thallusmantel‐Beschaffenheit ebenfalls nur bedingt verwendbar ist, da die Beschaffenheit dieses Algenüberzuges seiner eigenartigen Entstehung wegen von Faktoren abhängig ist, wie sie unter B. L, Seite 96 aufgeführt worden sind. Die vorliegenden Untersuchungen ergaben weiter, daß auch das ZAveite Hauptmerkmal der Cladonien‐Systematik, die Flechtensäuren, kritisch zu betrachten ist. Ob die Flechtensäuren ebenfalls von den unter B. I. aufgezählten Faktoren beeinflußt werden, kann man jedoch erst beurteilen, wenn die unter C. d), Seite 100 zusammengestellten Fragen geklärt worden sind. Es ist weiterhin zu vermuten, daß innerhalb der Gattung Cladonia gewisse Arten nur verschiedene Erscheinungsformen eines und desselben Flechtenpilzes darstellen. Bezöge sich die Flechtensystematik allein auf den Flechtenpilz, dann wären viele der bisher bestehenden Cladonia‐Arten, da sie nur Lebensformen eines und desselben Pilzes sind, hinfällig, und aus der Fülle der oft nur schwer voneinander zu trennenden Arten würden vielleicht nur wenige bestehen bleiben. II. Allgemeine Flechtensystematik: Ähnlich wie in der Gattung Cladonia liegen die Verhältnisse bei den übrigen Flechten. Auch hier bezeichnet der lateinische Name eine bestimmte Lebenserscheinung, nämlich eine bestimmte Form und eine bestimmte Art und Weise des Pilzes, symbiotisch zu leben. Wie es sich praktisch‐technisch auswirken würde, den Artbegriff auf den Pilz zu beschränken und die Erscheinungen, welche Folgen der Symbiose sind, auszuschließen, soll noch nicht erörtert werden; es soll hier vielmehr darauf hingewiesen werden, daß die Flechten komplexe Organismen sind, bei denen sich biologische Besonderheiten so stark auswirken, daß am gleichen Pilz ganz verschiedenartige Erscheinungsformen entstehen, die auch ineinander übergehen können. In der Systematik der Flechten finden wir daher ähnliche Schwierigkeiten wie wir sie aus der Systematik anderer komplexer Lebenseinheiten, der Gresel Jschaftssystematik, kennen, wo ein und dieselbe Assoziation verschiedene Facies bilden und ineinander überführen kann, wie es beispielsweise FR. J. MEYER (1930, S. 48 und 53) für die Pineta der Umgebung Braunschweigs zeigt.