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Die “Niederlage der Zivilisation” und der “heulende Triumph der unterdrückten Triebwelt”: Die Erzählung ‘Der kleine Herr Friedemann’ als Modell der Anthropologie Thomas Manns
Author(s) -
Kristiansen Børge
Publication year - 2003
Publication title -
orbis litterarum
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.109
H-Index - 8
eISSN - 1600-0730
pISSN - 0105-7510
DOI - 10.1046/j.0105-7510.2003.00789.x
Subject(s) - philosophy , humanities , art
Diese Analyse der frühen Erzählung Der kleine Herr Friedemann von Thomas Mann hat zwei Zielsetzungen. Sie will einerseits durch eine hermeneutisch reflektierte close reading zu einem besseren Verständnis des Textes dieser Erzählung beitragen. Dieses Verfahren scheint angesichts der in der sich immer noch primär an der Quellenerforschung interessierten neueren Thomas‐Mann‐Forschung bestehenden Angst vor Textberührung unmittelbar gerechtfertigt zu sein. Um sich aber hermeneutisch legitimieren zu können, blieb eine solche Textanalyse auf den Horizont der strukturell entscheidenden Orientierungen Thomas Manns bezogen. Dadurch konnte nicht nur eine seit Jahren maßgebliche Auslegung dieser Erzählung (G. Kluge: 1967) in ihren grundlegenden Thesen korrigiert, sondern zugleich der Nachweis erbracht werden, wie sich die auch für einen Großteil der viel späteren Werke Thomas Manns verbindliche Anthropologie schon in dieser frühen Erzählung konstituiert. Die Arbeit schließt deshalb mit Überlegungen zur Figurendarstellung der späteren Romane und Erzählungen ab. Und wenn uns eines Tages dieses Tun Und was an uns geschieht gering erschiene Und uns so fremd, als ob es nicht verdiene, daß wir so mühsam aus den Kinderschuhn um seinetwillen wachsen ‐: Ob die Bahn vergilbter Spitze, diese dichtgefügte blumige Spitzenbahn, dann nicht genügte, uns hier zu halten? Sieh: sie ward getan . Ein Leben ward vielleicht verschmäht, wer weiß? Ein Glück war da und wurde hingegeben, und endlich wurde doch, um jeden Preis, dies Ding daraus, nicht leichter als das Leben und doch vollendet und so schön als sei's nicht mehr zu früh, zu lächeln und zu schweben. (Rainer Maria Rilke, Die Spitze II)