Premium
Liebe und Tabu: Zum Kulturtransfer des Isis‐Osiris‐Mythos in die Moderne: Ingeborg Bachmanns Der Fall Franza und Robert Musils Isis und Osiris
Author(s) -
Jagow Bettina
Publication year - 2003
Publication title -
orbis litterarum
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.109
H-Index - 8
eISSN - 1600-0730
pISSN - 0105-7510
DOI - 10.1034/j.1600-0730.2003.580203.x
Subject(s) - osiris , art , humanities , philosophy , biology , botany
In dem Aufsatz wird der Kulturtransfer des altägyptischen Isis‐Osiris‐Mythos am Beispiel von Robert Musils Gedicht Isis und Osiris und Ingeborg Bachmanns Romanfragment Der Fall Franza diskutiert. Kulturtransfer, so die These der Verfasserin, hat immer dort statt, wo Grenzen überschritten werden und das Transferierte in einen neuen normierten Rahmen transformiert wird. In der Literaturgeschichte wird Transfer exemplarisch mit dem Paradigma von Norm und Normüberschreitung markiert; beispielhaft ist das Oppositionsfeld von Liebe und Tabu. Es ist auch für die beiden untersuchten Texte hinsichtlich des Mythos‐Transfers entscheidend: Während Musils Text in den 1920er Jahren die Bearbeitung des Mythos auf der Folie von Traum und Inzestthematik poetisch variiert, kommt es im Text von Bachmann zu keiner substantiellen Transformation des Mythos. Vielmehr wird er über den Intertext aus Musils Gedicht nur unvollständig zitiert. Durch diese, auch poetologisch zu deutende Arbeit mit dem Isis‐Osiris‐Mythos wirft Bachmanns Text die Diskussion um die Schwierigkeiten eines Fortschreibens alter Bilder und Muster nach 1945 auf; zugleich kann dadurch einer expliziten Dialektik von Norm und Normüberschreitung widersprochen und der Blick auf historisch bedingte Erklärungsmuster kulturellen Transfers gerichtet werden. Mit dieser Perspektive können literarische Texte Aussagen über Kultur treffen und in ihrer Funktion als Metatexte Strukturen von Kultur veranschaulichen.