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Kierkegaard und Goethe
Author(s) -
Leśniak Sławomir
Publication year - 2001
Publication title -
orbis litterarum
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.109
H-Index - 8
eISSN - 1600-0730
pISSN - 0105-7510
DOI - 10.1034/j.1600-0730.2001.d01-45.x
Subject(s) - philosophy , humanities
Die vorliegende Arbeit will die »geistige Stelle« erfassen, die die Weise bestimmt hat, auf welche Kierkegaard Goethes Werke aufzunehmen bemüht war. Kierkegaards Schwermut wird als der Seelenzustand dargestellt, in dem sich am entschiedensten die Andersartigkeit seiner Geistesanlage zu der Goethes zeigt. So läßt die Schwermut die Phantasie Kierkegaards auf dem Gleise außerhalb der Natur verlaufen, in der Goethe Urbilder der Metamorphosen höherer, sittlicher Art sah. Das Dämonische seiner Schwermut konnte Kierkegaard durch die Kindheit des Christen auflösen, die er noch einmal »leisten« wollte. Das Denken des Dänen wird stets vom Gefühl des Abgrunds begleitet; Goethe war vor der Vorstellung des Abgrunds durch die Idee geschützt. Dieser Unterschied war der Grund, warum Kierkegaard die dichterische Bestimmung Goethes als eine Flucht vor dem christlichen Glauben betrachtete und dadurch die Goethesche Dichterexistenz in gewisser Hinsicht mißverstand. Die psychologische Tiefe der Gedanken Kierkegaards, die sich gerade im Aufspüren der existenziellen Abgründe zeigt, wird durch seinen unbefangenen Humor aufgewogen, der in Leśniaks Arbeit mit dem Humor L. Sternes in Tristram Shandy verglichen und als seelenerlösend bezeichnet wird.