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Gewebeelastizität und biomechanische Interaktion vaskulärer Komponenten
Author(s) -
Hartung C.
Publication year - 1976
Publication title -
materialwissenschaft und werkstofftechnik
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.285
H-Index - 38
eISSN - 1521-4052
pISSN - 0933-5137
DOI - 10.1002/mawe.19760070806
Subject(s) - physics , gynecology , philosophy , medicine
Abstract Viele Beiträge über das mechanische Verhalten weicher biologischer Gewebe sind bisher erschienen. Relativ klein ist jedoch unser Wissen über das biomechanische Zusammenspiel ihrer Bausteine. Vaskuläre Gewebe zeigen ein hochgradig nichtlineares Last‐Deformations‐Verhalten, das passiv mechanisch von ihren drei hauptsächlichen Wandkomponenten abhängt, nämlich elastischen und kollagenen Fasern sowie der Grundsubstanz, einer nichtfibrösen Matrix. Mit zunehmendem Druck verlieren nämlich Blutgefäße ihre Dehnbarkeit, weil sich die elastischen und kollagenen Fasern dann straffen. In diesem Zustand bilden sie dann eine starke Wandbewehrung und schützen so das Gefäß vor Aneurysmen bei höheren Blutdrücken. Um die Materialeigenschaften der Gefäßwand und das Zusammenspiel der vaskulären Komponenten auch qualitativ erfassen zu können, wird ein kontinuumsmechanisches Modell vorgestellt. Ausgehend von thermodynamischen Überlegungen, die die physiologische Situation sinnvoll erfassen, wird ein Materialgesetz entwickelt, mit dem die Spannungsbeiträge der einzelnen Komponenten sowie die von ihnen gespeicherte Deformationsenergie ermittelt werden kann. Hierbei sind die Verteilungsdichten und ‐funktionen der während einer vaskulären Dilatation anspringenden und angesprungenen Fasern von fundamentaler Bedeutung. Diese wurden an histologisch ähnlichen, quasi reinen Faserstrukturen aus Zugversuchen bestimmt, die mit elektronischen Zugprüfmaschinen durchgeführt wurden. Fur die Ermittlung des kollagenen Mechanismus wurden menschliche Sehnen, für die Ermittlung des elastischen Mechanismus Nackenbänder von Rindern als Prüflinge verwandt. Die Simulation des Druck‐Radien‐Verhaltens eines Aortensegmentes auf einem Computer unter Benutzung dieser experimentellen Ergebnisse beweist, daß der Beitrag der elastischen und kollagenen Fasern zum gefäßmechanischen Verhalten schon bei mittleren physiologischen Drücken beträchtlich sein kann und bei höheren Drücken bei weitem überwiegt. Die vorliegenden Untersuchungen sind ein notwendiger Schritt vorwärts in der Biomechanik und Materialkunde der Gefäße und damit schließlich in der Kreislaufforschung.