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Natur‐ und Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert
Author(s) -
Demandt Alexander
Publication year - 1983
Publication title -
berichte zur wissenschaftsgeschichte
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.109
H-Index - 8
eISSN - 1522-2365
pISSN - 0170-6233
DOI - 10.1002/bewi.19830060107
Subject(s) - philosophy , humanities , art
Die engen Verbindungen zwischen Natur‐ und Geschichtswissenschaft in der Zeit der Aufklärung haben sich im 19. Jahrhundert gelockert. Die meisten Historiker seitdem verfügen über eine gute Grundausbildung in der Philologie, teilweise auch in der Jurisprudenz, besitzen aber keine vergleichbare Grundkenntnis der Naturwissenschaften. Dennoch gibt es im 19. Jahrhundert drei Versuche, Geschichtswissenschaft nach dem Vorbild der Naturwissenschaft zu betreiben. 1. In der marxistischen Historiographie werden ökonomische und soziale Prozesse in enger Analogie zu Naturvorgängen, als „naturwüchsig” gesehen. 2. Darwinistische Autoren betrachten menschliches Verhalten als weitgehend durch biologische Faktoren determiniert. 3. Die sogenannten Positivisten (zum Beispiel Thomas Buckle) benutzen Statistiken und mathematische Modelle in ihren historischen Schriften. Mehrere Jahrzehnte wurden derartige Ansätze durch traditionelle (historistische) Historiker zurückgewiesen (so von Gustav Droysen) mit dem Argument, daß die Historie eine Wissenschaft sui generis sei . Schließlich aber wurden positivistische Elemente in den Historismus aufgenommen. Max Weber vor allem hat gezeigt, bis zu welchem Ausmaß historisches Verständnis sich auf Idealtypen und Regelmäßigkeiten im Ereignisverlauf stützen kann. Auf der anderen Seite betonen neuerdings Naturwissenschaftler die Rolle solcher Elemente in ihren Disziplinen, die bisher als Kennzeichen der Geisteswissenschaften gegolten haben: den Einfluß subjektiver Faktoren auf wissenschaftliche Befunde und die Bedeutung von statistischen Wahrscheinlichkeiten anstelle stringenter Gesetzesaussagen.