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Die Selbstregeneration von Stereozentren (SRS) — Anwendungen, Grenzen und Preisgabe eines Syntheseprinzips
Author(s) -
Seebach Dieter,
Sting Andrea R.,
Hoffmann Matthias
Publication year - 1996
Publication title -
angewandte chemie
Language(s) - German
Resource type - Journals
eISSN - 1521-3757
pISSN - 0044-8249
DOI - 10.1002/ange.19961082304
Subject(s) - chemistry , stereochemistry
Abstract Zum Ersatz eines Substituenten am einzigen stereogenen Zentrum eines chiralen Moleküls ohne Racemisierung wird zunächst diastereoselektiv ein Hilfschiralitätszentrum generiert, dann das ursprünglich vorhandene tetragonale Zentrum durch Entfernen eines Substituenten trigonalisiert und – wiederum diastereoselektiv – ein neuer Ligand eingeführt, worauf das temporäre Zentrum wieder entfernt wird. Durch diese vier Schritte gelingt es, ohne chirale Hilfsstoffe in Anspruch zu nehmen (unter «Selbstregeneration des Stereozentrums», SRS), 2‐ und 3‐Amino‐, ‐Hydroxy‐ und ‐Sulfanylcarbonsäuren unter Bildung tertiärer Kohlenstoffzentren zu alkylieren und damit das Potential dieser wohlfeilen chiralen Synthesebausteine beträchtlich zu erweitern. Es wird – auch am Beispiel von Naturstoffsynthesen – gezeigt, daß auf diese Weise heterocyclische Acetale mit Enamin‐, Enolether‐, Enolat‐, Dienolat‐, Enoat‐, Radikal‐ und Acyliminium‐Reaktivität sowie Reaktanten für Michael‐Additionen und für pericyclische Prozesse (beispielsweise elektronenreiche und elektronenarme Dienophile und Diene), gewöhnlich in beiden enantiomeren Formen, zugänglich sind. Bei anderen Wegen zur Realisierung des SRS‐Prinzips dienen stereogene Stickstoffatome von Aziridinen, Boratome in cyclischen und offenkettigen Systemen oder auch stereogene Ebenen vor π‐Komplexen als Hilfschiralitätselemente. Um die hohen Reaktivitäten der für die SRS entwickelten Verbindungen und vor allem die hervor ragenden Stereoselektivitäten der Reaktionen auch dann nutzbar zu machen, wenn es keine geeigneten chiralen Vorstufen gibt, werden – unter Preisgabe des Prinzips!–enantiomerenreine Derivate, z. B. von Glycin, von Hydroxy‐ und Sulfanylessigsäure, von 3‐Aminopropionsäure oder von 3‐Oxocarbonsäuren durch Racematspaltung über diastereomere Salze oder durch Chromatographie an chiralen Säulen hergestellt. So verfügbare 2‐ tert ‐Butyl‐1,3‐imidazolidin‐3‐one, ‐oxazolidin‐5‐one, ‐dioxin‐3‐one oder ‐hydropyrimidinone mit nur einem stereogenen Zentrum – am Acetal‐C‐Atom – dienen zur Herstellung fast beliebiger 2‐Amino‐ oder 3‐Hydroxycarbonsäuren, wobei kein chiraler Hilfsstoff abgetrennt und zurückgewonnen werden muß; ein Beispiel ist die Synthese von 4‐Fluor‐Me Bmt, einem Derivat der C 9 ‐Aminosäure aus Cyclosporin. Im abschließenden Kapitel werden nützliche Erkenntnisse besprochen, die im Laufe der Untersuchungen über die Selbstregeneration von Stereozentren und über chirale Acetale in der Synthese enantiomerenreiner Verbindungen (EPC‐Synthese) gewonnen worden sind: die Bildung und Eigenschaften von Komplexen aus Li‐Enolaten oder anderen Li‐Verbindungen und sekundären Aminen, die Verwendung von α‐Alkoxy‐ und α‐Amino‐Li‐Alkoholaten als Insitu‐Basen und Quellen für Aldehyde zur C‐C‐Verknüpfung mit instabilen Enolaten oder Nitronaten, die Bedeutung des A 1,3 ‐Effektes für den stereochemischen Verlauf von nucleophilen, radikalischen sowie elektrophilen Reaktionen N‐acylierter Heterocyclen und homo‐ oder heterocyclischer Carbonsäureester‐Enolate sowie die Einflüsse von Amid‐Schutzgruppen auf die Reaktivität benachbarter Zentren und auf die Stereoselektivität der Reaktionen an diesen Zentren. Am Ende des Beitrags befindet sich ein Anhang mit Tabellen, die eine weitgehend vollständige Sammlung von Beispielen enthalten.