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Dynamische Lösungsmitteleffekte bei Elektronentransferreaktionen
Author(s) -
Heitele Hans
Publication year - 1993
Publication title -
angewandte chemie
Language(s) - German
Resource type - Journals
eISSN - 1521-3757
pISSN - 0044-8249
DOI - 10.1002/ange.19931050306
Subject(s) - chemistry , humanities , physics , philosophy
Elektronentransferprozesse in Lösung gehören zu den wichtigsten Reaktionen in Chemie und Biologie. Beispielhaft für sie sind die vielen Redoxreaktionen von Übergangsmetall‐Ionen und ‐komplexen, zahlreiche präparativ wichtige Oxidationen und Reduktionen organischer Verbindungen, die Photosynthese und viele Stoffwechselvorgänge. Diese weite Verbreitung sowie ihre relative Einfachheit machen Elektronentransferreaktionen zu hervorragenden Modellen für die Untersuchung von chemischen Reaktionen in Lösung auf molekularer Ebene. Ein besonders wichtiger Aspekt der Reaktionskinetik in Lösung ist der Einfluß des Lösungsmittels auf die Reaktionsgeschwindigkeit, wobei man statische und dynamische Lösungsmitteleffekte unterscheidet. Die statischen Effekte beziehen sich auf die Stabilisierung der Edukte, des Übergangszustands und der Produkte, also darauf, wie das Lösungsmittel die freien Energien der genannten Spezies und die Aktivierungsenergie der Reaktion beeinflußt. Diese Interpretation von Lösungsmitteleffekten bei allen Arten von chemischen Reaktionen ist heute allgemein verbreitet. Die Untersuchung des Einflusses der Lösungsmitteldynamik ist hingegen eine neuere Entwicklung. Üblicherweise geht man davon aus, daß die Übertragung eines Elektrons durch eine Polarisationsfluktuation im umgebenden Lösungsmittel ausgelöst wird. Die endliche Ansprechzeit der Orientierungspolarisation des Lösungsmittels bestimmt die Dynamik solcher Fluktuationen und kann unter bestimmten Bedingungen zum geschwindigkeitsbestimmenden Faktor der Reaktion werden. Ich möchte in diesem Aufsatz eine Übersicht über die neueren Entwicklungen in der Theorie und bei experimentellen Untersuchungen von Elektronentransferprozessen geben. Es wird sich dabei herausstellen, daß die Lösungsmitteldynamik wesentlichen Einfluß auf die Reaktionskinetik haben kann. Die zur Beschreibung erforderlichen Begriffsbildungen gelten nicht nur für Elektronentransferreaktionen, sondern sind auf viele andere chemische Vorgänge in Lösung anwendbar.