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Struktur und Reaktivität von Lithiumenolaten, vom Pinakolon zur selektiven C ‐Alkylierung von Peptiden – Schwierigkeiten und Möglichkeiten durch komplexe Strukturen
Author(s) -
Seebach Dieter
Publication year - 1988
Publication title -
angewandte chemie
Language(s) - German
Resource type - Journals
eISSN - 1521-3757
pISSN - 0044-8249
DOI - 10.1002/ange.19881001206
Subject(s) - chemistry
Am Beispiel der Li‐Enolate läßt sich zeigen, daß komplexe, durch nicht‐kovalente Bindungen zusammengehaltene Gebilde („Übermoleküle”) das Ergebnis von scheinbar einfachen Standardreaktionen der organisch‐chemischen Synthese beeinflussen können. Kristallographische Untersuchungen zahlreicher Li‐Enolate und analoger Derivate ergaben eine Fülle detaillierter Strukturinformationen. Auffälligste Merkmale der Strukturen sind die Aggregation zu Dimeren, Tetrameren und zum Teil noch höheren Oligomeren, die Komplexierung der Metallzentren mit Solvensmolekülen und Chelatbildnern sowie die Wasserstoff‐brückenbindung schwacher Säuren (z. B. sekundärer Amine) mit anionoiden Komponenten der Li‐Enolate. Durch NMR‐spektroskopische, osmometrische und calorimetrische Messungen ist die Anwesenheit derselben Übermoleküle in unpolaren Lösungsmitteln (Kohlen‐wasserstoffen und Ethern) wie in den Kristallen nachgewiesen worden. Mit ab‐initio‐Berechnungen wurden außer den Strukturen auch die Größenordnung der Wechselwirkungen qualitativ reproduziert. Wichtig für die Praxis der organischen Synthese mit Li‐Enolaten ist schließlich, daß Übermoleküle auch produktbildende Spezies sein können. Die Reaktivität von Li‐Enolaten ist besser zu verstehen, wenn ihre komplexen Strukturen berücksichtigt werden. So kann der störende Einfluß von sekundären Aminen, den Nebenprodukten bei der üblichen Enolaterzeugung, durch Deprotonierung vermieden werden; in Mischungen aus achiralen Li‐Enolaten und chiralen Li‐Amiden finden enantioselektive Reaktionen statt; durch Zusatz von LiX werden die Eigenschaften von Li‐Enolaten drastisch verändert; vor allem vielfach lithiierte Verbindungen können durch LiX auch solubilisiert werden. Offenkettige Oligopeptide lassen sich an der CH 2 ‐Gruppe von N ‐Methylglycin(Sarkosin)‐Einheiten alkylieren. In Gegenwart von überschüssigem Lithiumdiisopropylamid oder von bis zu 30 Äquivalenten LiCl wird das cyclische Undecapeptid Cyclosporin, ein potentes Immunsuppressivum, über ein in Tetrahydrofuran lösliches Hexalithium‐Derivat (ohne Epimerisierung stereogener Zentren) mit Elektrophilen umgesetzt. Dabei entsteht, je nach Art des LiX‐Zusatzes, selektiv ein neues stereogenes Zentrum mit ( R )‐ oder ( S )‐Konfiguration in der Peptidkette. Die so zugänglichen Abkömmlinge des Cyclosporins sind Musterbeispiele für das Studium von Struktur‐Wirkungs‐Beziehungen.