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Woher kann die Landwirtschaft gebundenen Stickstoff für ihre Felder nehmen?
Author(s) -
Hempel Walther
Publication year - 1915
Publication title -
angewandte chemie
Language(s) - German
Resource type - Journals
eISSN - 1521-3757
pISSN - 0044-8249
DOI - 10.1002/ange.19150282602
Subject(s) - citation , german , philosophy , physics , computer science , humanities , library science , linguistics
Es unterliegt keinem Zweifel, daB fiir die Zwecke der Heeresverwaltung mehr als genug Salpetersaure aus dem in den Gasfabriken, den Kokereien und nach der H a b e r schen Synthese gewonnenen Ammoniak durch Verbrennung hergestellt werden kann. Der Landwirtschaft wird jedenfalls auch ein Teil dieses Ammoniaks zur Verfiigung stehen. Trostberg (Bayern) vermag 15000 t und Westereqeln-Knappsack 45000 t Kalkstickstoff auI3erdem zu liefern. 1913 wurden 774318 Tonnen Salpeter im Werte von 171 899 000 M aus Chile eingefiihrt. Die Gasfabriken und Kokereien Lieferten 543 000 t schwefelsaures Ammoniak. Die Badische Anilinund Sodafabrik stellte 140000 t schwefelsaures Ammoniak nach H a b e r her. Man kann leicht einsehen, daB es immerhin fur die kommende Zeit von hochster Wichtigkeit sein muB, allen gebundenen Stickstoff, den wir in deutschem Reiche erzeugen, fur die Landwirtschaft nutzbar zu machen, da ja in den vergangenen Jahren der eingefiihrte Salpeter und das schwefelwure Ammoniak zum sehr groBen Teil von der Landwirtschaft verwendet wurde. Wenn nun auch in normalen Zeiten die in Deutschland ,erbauten Feldfriichte ausreichen, um die gesamte Bevolkerung zu ernahren, so wird dies in Zukunft nur dann der Fall sein, wenn die Landwirtschaft uber geniigende Massen von Diingemitteln verfiigt, die die intensive Bodenkultur erfordert. Unzweifelhaft produziert Deutschland genug Kalisalze, um den Bedarf seiner Felder zu decken; anders ist es jedoch mit dem ebenfalls notigen gebundenen Stickstoff *) und der Phosphorsaure. Felder, die in friiherer Zeit reichlich mit Stickstoff und Phosphorsaure gediingt wurden, werden fur einige Zeit bei reichlicher Kalidiingung fur die Kultur von Kartoffeln geeignet bleiben. Wenn man den Feldern die gesamten Ausscheidungen der Tiere und Menschen als Diinger wieder zufiihrte, so muBte ohne jede Benutzung von Salpeter und kiinstlichen Diingemitteln der erfolgreiche Betrieb der Landwirtschaft moglich sein, zumal ja eine sehr erhehliche Bindung des Stickstoffs der Luft durch die Schmetterlingsbliitler und chirch die elektrischen Entladungen bei Gewittern erfolgt. DaB dies nicht geschieht, zeigt der groBe Bedarf an Salpeter und kiinstlichen Diingemitteln, den die Landwirtschaft hat. Erwagt man, wo im Deutschen Reiche gebundener Stickstoff und Phosphorsaure hergenommen werden konnn, so findet man, daI3 in dern zum sehr grofien Teil verloren gehenden Urin der Menschen und Tiere eine reiche Quelle dieser Stoffe vorhanden ist. Wenn nun auch der Harn von der Bevolkerung des Landes gesammelt und fur Diingezwecke verwendet wird, so geschieht dies doch ganz allgemein in der liederlichsten Weise. Aller Orten lauft die Jauche noch zum sehr erhebIichenTeil in denuntergrund, und csverfluchtiqen sich enorme Mengen von dem aus dem Harn der Tiere und Menschen durch die Faulnis entstandenen kohlensauren Ammoniak ungenutzt in die Luft; dies ist bekanntl ch der Grund, daB alle Stalle und Diingerhaufen stark nach Ammoniak riechen. Der Harn der Menschen der groBen S t a t e geht fast ganz verloren, da man aus hygienischen Griinden in weite-