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Ansätze zur Beschreibung und Vorhersage der Bindungsaffinität niedermolekularer Liganden an makromolekulare Rezeptoren
Author(s) -
Gohlke Holger,
Klebe Gerhard
Publication year - 2002
Publication title -
angewandte chemie
Language(s) - German
Resource type - Journals
eISSN - 1521-3757
pISSN - 0044-8249
DOI - 10.1002/1521-3757(20020802)114:15<2764::aid-ange2764>3.0.co;2-i
Subject(s) - chemistry , microbiology and biotechnology , philosophy , physics , biology
Der Einfluss einer körperfremden Verbindung auf einen Organismus wird in aller Regel an dem Begriff der biologischen Aktivität festgemacht. Liegt eine gezielte, therapeutisch relevante und regulierende Wirkung vor, so hat die Verbindung das Potenzial zu einem Arzneistoff, andernfalls betrachtet man ihren toxikologischen Einfluss auf das biologische System. Doch was versteht man unter dem Begriff der biologischen Aktivität? Natürlich ist an dieser Stelle der gesamte Effekt auf einen Organismus zu betrachten, doch wegen der Komplexität der ineinandergreifenden Vorgänge betrachtet man zunächst nur die „Hauptwirkung“ auf den Organismus. Auf die molekulare Ebene übertragen, bedeutet biologische Aktivität die Bindung einer (niedermolekularen) Verbindung an einen makromolekularen Rezeptor, in aller Regel ein Protein. Dadurch werden enzymatische Reaktionen oder Signaltransduktionskaskaden in ihrer Funktion für den Organismus beeinflusst. Wir betrachten diese Bindung als einen Vorgang unter Gleichgewichtsbedingungen, sodass sich die Bindung als Assoziations‐ oder Dissoziationsvorgang beschreiben lässt. Somit wird biologische Aktivität als Affinität der beiden Partner zueinander in Form einer thermodynamischen Gleichgewichtsgröße ausgedrückt. Wie gut sind diese Begriffe heute verstanden und theoretisch vorhersagbar? Kern des rationalen Wirkstoffdesigns ist die Vorhersage der biologischen Aktivität einer Verbindung. Die Vorgänge bei der Ligandenbindung sind äußerst komplex, sowohl Ligand als auch Protein sind flexible Moleküle, und die Energiebilanz muss zwischen getrenntem und gebundenem Zustand in wässriger Umgebung betrachtet werden. Wie ausgereift und aussagekräftig sind unsere experimentellen Verfahren, um hier die notwendigen Einblicke zu gewinnen? Der vorliegende Aufsatz fasst den derzeitigen Kenntnisstand zur Bindungsaffinität eines niedermolekularen Liganden zu einem Protein zusammen. Es werden theoretische wie empirische Ansätze beschrieben und gegenübergestellt, die eine Vorhersage der Bindungsaffinität aus der Raumstruktur eines Protein‐Ligand‐Komplexes zum Ziel haben. Experimentelle Ansätze, vor allem die Mikrokalorimetrie, werden diskutiert. Als Ausblick werden ein eigenes wissensbasiertes Verfahren zur Affinitätsvorhersage und experimentelle Daten zur Faktorisierung von Bindungsbeiträgen zur Ligandenbindung an Proteine vorgestellt.