
Ebenen der genetischen Analyse komplexer Phänotypen am Beispiel der Anorexia nervosa und der Varianz des Körpergewichts
Author(s) -
Raphael Hirtz,
Yiran Zheng,
Luisa Sophie Rajcsanyi,
Lars Libuda,
Jochen Antel,
Triinu Peters,
Johannes Hebebrand,
Anke Hinney
Publication year - 2022
Publication title -
zeitschrift für kinder- und jugendpsychiatrie und psychotherapie
Language(s) - German
Resource type - Journals
SCImago Journal Rank - 0.215
H-Index - 24
eISSN - 1664-2880
pISSN - 1422-4917
DOI - 10.1024/1422-4917/a000829
Subject(s) - heritability , anorexia nervosa , genetic architecture , genetics , candidate gene , biology , eating disorders , genome wide association study , etiology , phenotype , single nucleotide polymorphism , gene , psychology , psychiatry , genotype
Zusammenfassung. Genetische Varianten beeinflussen die Gewichtsregulation und die Entwicklung von Essstörungen. Zunächst haben familienbasierte, sogenannte formalgenetische Studien den erblichen Anteil an der Gewichtsregulation und an der Ätiologie von Essstörungen beleuchtet. In einer Vielzahl von Studien zeigten sich sowohl für die Varianz des Körpergewichts als auch für die Entstehung von Essstörungen Erblichkeitsschätzer (Heritabilitätsraten) von über 50 %. Mit diesem Wissen begab man sich in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts auf die Suche nach den zugrundeliegenden Genen (genauer: genetischen Varianten), die das Körpergewicht, das Essverhalten oder beide Phänotypen auf Grundlage geteilter Mechanismen beeinflussen. Zunächst wurden Kandidatengenstudien durchgeführt. Dabei untersuchte man auf Grundlage unterschiedlicher, v. a. aber pathophysiologisch plausibler Überlegungen Gene mit hoher Relevanz für die untersuchten Phänotypen. Dieser Ansatz war für Essstörungen nicht sehr erfolgreich, für die Gewichtsregulation konnte eine Handvoll Gene identifiziert werden. Verbunden mit großen methodischen Fortschritten in der genetischen Forschung und v. a. der Etablierung sogenannter genomweiter Assoziationsstudien (GWAS) Anfang der 2000er-Jahre konnten bislang über 1000 Varianten/Genorte detektiert werden, die das Körpergewicht beeinflussen. Für die Essstörung Anorexia nervosa (AN) sind aktuell acht solcher Genorte beschrieben. Diese Ergebnisse, aber auch aktuelle Ansätze zu phänotypübergreifenden Analysen lassen Einblicke in die komplexe Regulation des Körpergewichtes zu und haben zudem unerwartete Pathomechanismen für AN aufgezeigt.